Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
vielleicht sogar Kinder zu Hause, die auf ihn warteten, ihn vermissten? Sie erinnerte sich an das Drachenweibchen, das bei ihm gewesen war, bevor sie ihn gefangen nahmen. Sehnte sie sich nach ihm, sehnte er sich nach ihr?
Zum ersten Mal wurde sie von Gewissensbissen, Schuldgefühlen und Traurigkeit überwältigt, die ihr keine Ruhe mehr ließen. Es erstickte sie fast. Große Göttin, was machte sie hier überhaupt?
„Ich muss gehen“, sagte sie schnell und stand auf.
„Warte, Alexia.“ Er legte seine ungefesselte Hand auf ihre Hand. Lange Finger fuhren ihren Arm hinauf. Sie schloss die Augen, genoss die Zärtlichkeit für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie herumwirbelte und ihn ansah.
„Was?“
„Ich weiß, dass du mich für verrückt hältst, und ich weiß auch, dass du keinerlei Grund hast, irgendetwas von dem zu glauben, was ich sage. Aber ich schwöre, ich habe tatsächlich gesehen, was er dir angetan hat.“
Alexia stockte der Atem bei dem Gedanken, er könnte tatsächlich die Wahrheit sagen. Sie versuchte sich ihm zu entziehen, aber er hielt jetzt ihre Hand eisern umklammert und ließ nicht locker. Eher verstärkte er den Griff noch.
„Erklären kann ich es auch nicht“, fuhr er fort. „Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“
„Hör auf“, bat sie, bevor seine Worte ihr die Kehle zuschnüren konnten. Sie schluckte schwer. Vor lauter Peinlichkeit, Schuldgefühl und Scham bekam sie kaum noch Luft.
Dennoch registrierte sie, dass er mit dem Daumen sanft kleine Kreise auf ihren Handrücken rieb. Wann er damit angefangenhatte, konnte sie nicht sagen, aber diese kleine Geste besänftigte sie, obwohl sie sich das selbst nicht eingestehen wollte.
Sie sank wieder neben ihm auf den Boden, verbarg das Gesicht in beiden Händen und stöhnte. Er blieb völlig regungslos, sagte auch nichts. Nur seine tiefen regelmäßigen Atemzüge verrieten ihr, dass er unmittelbar neben ihr saß.
„Er müsste tot sein zur Strafe für das, was er mir angetan hat“, brachte sie endlich heraus. „Und das wäre er auch, wenn irgendjemand etwas davon wüsste.“
Wieder hing das Schweigen lange Zeit schwer über ihnen.
„Ich werde es niemandem erzählen.“
Alexia konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er ihr eigenes Versprechen von eben imitierte. Mit einem tiefen Seufzer legte sie den Kopf auf die verschränkten Arme und sah zu ihm hinüber. „Wieso nennen sie dich denn Declan?“
Er sah sie mit überraschten Augen an. Dann überzog ein Grinsen seine Züge, und seine blauen Augen blitzten. „Anstelle der traditionellen Namen der Herren der Drachen, meinst du?“
Sie nickte.
„Mein Vater wurde nach einem unserer menschlichen Vorfahren aus dem vierten Jahrhundert benannt, und meine Mutter hat darauf bestanden, diese besondere Tradition beizubehalten.“ Er hob die Schultern, und ihr Blick fiel auf seine vollen, weichen Lippen, ihr ganzer Körper kribbelte bei der Erinnerung daran, wie entzückend es sich angefühlt hatte, als er seine Lippen auf ihre gepresst hatte. „Da ich nicht nur der Sohn von Drachen war, hatten meine Eltern keine besonderen Schwierigkeiten, sich den Namen von unserer Ratsversammlung genehmigen zu lassen. Meine Schwester hatte allerdings nicht das Glück, sich den Gewohnheiten der Drachen entziehen zu können.“
Alexia verstand jedes Wort, aber ihre Gedanken kreisten nur um eine einzige Tatsache. „Du bist also nicht nur der Sohn von Drachen, und doch bist du ein Herr der Drachen?“
„So ist es.“
„Obwohl du nur zur Hälfte ein Drache bist?“
Zorn verfinsterte sein Gesicht, und sie bedauerte sofort ihre Wortwahl. „Es tut mir leid … Ich wollte nicht …“ Sie unterbrach sich und holte tief Luft. „Ich bin nur verwirrt, weil du so stark bist.“
Die Worte besänftigten ihn sofort. „So ist das nun einmal mit uns Blacks. Wenn du mich schon für stark hältst, dann hättest du mal meinem Vater begegnen sollen.“
Nur kurz lachte er auf, bevor sein Gesicht plötzlich vor Trauer und Verlustgefühlen wie versteinert war.
„Das bin ich nie, weißt du. Ich bin deinen Eltern nie begegnet“, hörte sie sich selbst sagen. „Lotharus und meine Mutter haben das vor mir geheim gehalten. Sie waren längst tot, bevor ich überhaupt erfuhr, dass sie hier gefangen waren.“
Declan blähte die Nüstern. Obwohl ihn die silberne Kette um den Hals schwächte, strömte er plötzlich eine ungeheure Hitze aus. Die Luft zwischen ihnen erwärmte sich, und für einen Moment
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