Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
und eine erbarmungslose Stille senkte sich über den Raum. Catija ließ ihre Fingerspitzen sanft über die Schallplatte gleiten.
Spiel diese Platte, wenn du dich allein und verloren fühlst, dann werde ich immer bei dir sein.
Eine Träne lief ihr über die Wange. Sie wirkte knochig und ausgezehrt. Es war beinahe unerträglich, nicht zu wissen, ob Yuri sie wirklich besuchte, wenn sie diese Platte spielte, oder ob sie verrückt geworden war und ihr verwirrtes Hirn ihr das alles nur vorgaukelte. Aber am meisten hasste sie sich selbst. Weil die Sünden ihrer Vergangenheit sie ständig verfolgten und ihr Urteilsvermögen trübten.
„Keine Sorge, Bruderherz“, sagte sie und wischte sich die Träne aus dem Gesicht. „Auch ich werde mein Versprechen halten.
Er wusste es.
Diese drei Worte gingen Alexia immer wieder durch den Kopf, seit sie Lotharus’ Privatgemächer verlassen hatte, und sie ließen ihr keine Ruhe. Dieser Drache wusste, was Lotharus ihr antat. Sie hatte es in seinen saphirblauen Augen gesehen, in der kaum verhüllten Drohung gehört, die er ausstieß.
Aber woher konnte er das wissen? Wie war das möglich?
Diese Frage hielt sie bis zur Morgendämmerung wach. Brachte sie dazu, ihren Kampfanzug anzuziehen, obwohl sie doch in ihr Nachtgewand schlüpfen sollte. Und jetzt schlich sie nach unten in den Kerker, lange nachdem alle anderen sich zur Ruhe begeben hatten.
Es war absurd, zu dieser Stunde hier herunterzukommen, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie konnte nicht schlafen, nicht denken, zumindest nicht an etwas anderes als die unfassbare Tatsache, dass dieser Drache etwas über sie wusste, das sie niemandem je erzählt hatte. Nicht einmal ihrer Mutter.
Sie bog um eine Ecke und näherte sich dem Verlies, und plötzlich schlug ihr Herz schneller. Sie ignorierte das und zog den silbernen Degen aus der Scheide an ihrem Rücken. Zwar hoffte sie, er würde freiwillig reden, aber Alexia war auch bereit, alles Notwendige zu tun, um endlich eine Antwort zu bekommen.
Das jedenfalls erzählte sie sich selbst.
Mit angehaltenem Atem betrat sie das Verlies und sah sich um. Hier drin war es stockfinster und vollkommen still. Das Tageslicht drang nicht durch die eisernen Rollläden an den Fenstern hindurch, die Flammen der Wandleuchter und des Kamins waren gelöscht worden, nirgends flackerte ein Licht, nichts strahlte auch nur das geringste bisschen Wärme aus. Nur der beißende Geruch von verwesendem Fleisch sagte ihr, dass sie hier richtig war.
„Ist es nicht noch ein bisschen früh für dich, kleine Vampirin?“
Erschreckt schnappte sie nach Luft, als sie seine Stimme hörte, leise und tief. In der völligen Stille schien der Klang in ihr zu vibrieren, sodass sie fast das Gleichgewicht verlor. Die Stimme kamaus einer Ecke an der Wand. Sie hatten ihn nicht in eine der Zellen gesperrt, wie sie angenommen hatte. Lotharus war offenbar überzeugt, dass er nicht mehr fliehen konnte. Er allein wusste, wie sehr er den Drachen verletzt hatte. Doch Alexia erinnerte sich an seine unglaubliche Kraft und die kühle Entschlossenheit in seinen Augen und war sich da nicht so sicher.
Sie machte ein paar Schritte. Ihre Stiefel hallten in dem leeren Verlies. Ihr Puls hämmerte mit jedem Schritt.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie begann, Umrisse wahrzunehmen. Außerdem drang ein kleines bisschen Sonnenlicht durch einen Riss in einer der Seitenwände. Erst erkannte sie seine breiten Schultern, dann nahmen auch sein Haar und seine Augen Gestalt an. Er saß auf dem Boden, der an die Wand gekettete Arm ruhte auf den Knien. Alexia verschränkte die Arme, den silbernen Dolch so in der Hand, dass er ihn sehen konnte. Sie hob das Kinn und sammelte ihren Mut, um die Frage zu stellen, die sie hierher geführt hatte.
„Du weißt, was er mit mir macht.“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Sie konnte sehen, wie seine Augen sich für einen Moment weiteten, bevor er sie zusammenkniff. „Woher?“, fragte sie.
„Warum sollte ich dir das verraten?“
„Weil ich es wissen will.“
„Dann lass mich frei.“
Diese Forderung brachte sie aus der Fassung, hatte sie doch vor wenigen Stunden um seine Freiheit gekämpft. „Nein“, stieß sie hervor, selbst verblüfft über die eisige Selbstbeherrschung in ihrer Stimme.
„Das ist aber das, was ich will.“
Alexia musste ein Grinsen unterdrücken. Ihre Fingerspitzen klopften auf den Griff der Waffe. Wie sie gehofft hatte, erregte das seine
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