Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
jetzt viel empfindlichere Nase nur den beißenden und bitteren Gestank des Kerkers wahr. Dann fing er einen Hauch davon auf – von ihrem süßen, femininen Duft. Tief in seiner Kehle vibrierte ein leises Schnurren. Er konzentrierte sich ganz auf diesen Duft. Die Flammen in ihm erloschen, und der Drache zog sich mit einem Krächzen zurück.
Wieder in menschlicher Gestalt, strich Declan ihr sanft übers Haar, nahm ihr Gesicht in beide Hände und blickte sie an.
„Alexia“, sagte er sanft. „Alexia, wach auf.“
Alexia hörte, wie jemand ihren Namen rief. Aber es klang so weit weg. Sie war von einer Art Wolke umgeben und konnte überhaupt nichts sehen. Sie kämpfte sich durch den Rauch.
„Hallo?“, rief sie und spürte, wie Panik in ihr aufstieg, als der Nebel sich einfach nicht verzog, obwohl sie ihn mit aller Kraft wegwedelte.
Mit ausgestreckten Armen drehte sie sich mehrmals im Kreis, ihre Schritte waren schlurfend. Dann stürzte sie plötzlich mit dem Gesicht voran in eine weiße Leere. Kaum hatte sie vor Entsetzen aufgeschrien, da wurde sie auch schon emporgerissen undbekam keine Luft mehr. Als hätte ihr jemand eine Art Geschirr um die Mitte geschnallt und ein Bungeeseil daran befestigt. Ihr Herz raste. Ihr Haar wehte in der Luft, also fiel sie immer noch. Aber es war nicht wie ein Sturzflug. Flog sie etwa? Sie konnte es nicht wissen, denn ihre Augen waren fest geschlossen.
„Alexia.“
Da war die Stimme wieder. Sie nahm allen Mut zusammen und öffnete die Augen. Vor ihr erstreckte sich ein violetter Himmel, gesprenkelt mit weißen Schäfchenwolken. Beinahe hätte sie laut gelacht. Dann erblickte sie einen riesigen schwarzen Drachen, der neben ihr herflog. Zuerst wollte sie schreien, aber dann erkannte sie seine leuchtend blauen Augen, die vertrauten schwarzen Flügel.
Declan?
Um sie herum schimmerte ein merkwürdiger Nebel, dessen winzige Partikel das Licht auffingen, bis es so hell strahlte, als würde sie direkt in die Sonne blicken. Plötzlich stürzten ganze Berge Sand über ihr zusammen, rissen sie herunter, begruben ihren Kopf unter sich. Sosehr sie sich auch befreien wollte, der Sand stieg höher und höher …
„Alexia!“
Sie schnappte nach Luft. Keuchend blickte sie sich mit entsetzten Augen um und wartete, dass der tödliche Sand wieder über ihr zusammenstürzte.
Aber es waren nur warme Hände, die sie an den Wangen spürte. Sie hielten ihren Kopf fest, und plötzlich erblickte sie ein Gesicht. Ein Gesicht, das sie kannte.
„Declan?“
In seinen Augen lag ein warmes Lächeln, seine leicht verzogenen Lippen wirkten eher angespannt. „Einen Augenblick dachte ich, du wärst mir wieder entglitten.“
Alexia schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um all die schwindelerregenden Gedanken zu vertreiben. Als sie die Augen wieder öffnete, wurde sie sich ihrer Situation schlagartig bewusst. Über seine breite Schulter konnte sie die Zelle sehen. DieGitterstäbe waren zum größten Teil geschmolzen. Sie erinnerte sich, wie sie die elektronische Schnalle der silbernen Kette um seinen Hals mit ihrer Fingerabdruck-Identifikation gelöst hatte, als Lotharus den Kerker betrat. Und sie erinnerte sich, wie brutal er sie danach verprügelt und ausgepeitscht hatte. Sie fühlte sich zu Tode beschämt, dass Declan das alles mit ansehen musste.
„Oh“, hauchte sie, schloss erneut die Augen und wollte wieder in die Bewusstlosigkeit versinken.
„Alexia, bleib bei mir.“
Seine tiefe Stimme klang ebenso besorgt wie befehlend. Eine Hand klopfte ihr sanft auf die Wange. Dann legte er seine warme Stirn an ihre Stirn. Ganz leicht rieb er seine Nasenspitze an ihre.
Als sie endlich wieder normal atmete und sich beruhigt hatte, seufzte er erleichtert. Sein warmer Atem schmolz auf ihren Lippen und kitzelte ihren Hals wie Federspitzen.
„Du“, rief er, gleichzeitig lachend und schimpfend. „Warum hast du das gemacht?“
Alexia öffnete die Augen. „Was gemacht?“ Beim Sprechen tat ihr der ganze Kiefer weh. Seit Ewigkeiten hatte sie nicht mehr solche Schmerzen gehabt.
„Warum bist du nicht abgehauen, als ich es dir sagte?“, fragte er. „Wieso bist du hiergeblieben, um mich zu retten?“
Die Antwort auf diese Frage, die Wahrheit, das war eigentlich zu viel, um es zuzugeben. Aber sie konnte die Wahrheit auch nicht vor sich selbst verleugnen, nicht dagegen ankämpfen. Jetzt nicht mehr. Außerdem hatte sie sowieso keine Kraft mehr, um gegen irgendetwas anzukämpfen. Es war einfach alles zu
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