Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
viel, zu überwältigend. Das Einzige, was in dieser verrückten Welt noch Sinn machte, stand hier vor ihr. Und das, andererseits, ergab nun überhaupt keinen Sinn.
Alexia blickte ihm in die Augen, so unendlich tief, dass sie sich am liebsten für immer darin verloren hätte. Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, als die Katakomben plötzlich von einem erdbebenartigen Stoß erschüttert wurden. Die Mauern wankten. Staub rieselte von der Decke, die unter einem schweren Gewichteinzubrechen drohten.
Declan warf sich über sie, um sie mit seinem Körper zu beschützen. Seine nackte Brust drückte sich warm und fest an sie, sein Kopf versank in ihrer Halsbeuge, eine Hand hatte er beschützend unter ihren Hinterkopf geschoben.
Die Nacht wurde von einem tierischen Brüllen erschüttert, das noch lange in der Luft vibrierte. Declan schnappte nach Luft, rollte sich zur Seite und starrte an die Decke.
„Drachen“, hauchte er.
Sie blickte von ihm zur Decke und zurück und runzelte die Stirn, als er besorgt die Brauen zusammenzog. Sollte er jetzt nicht vor Freude strahlen?
„Was ist los?“
Bevor er etwas erwidern konnte, vibrierte der Boden von schweren Stiefelschritten im Gleichschritt marschierender Soldaten. Declan drückte sich neben ihr an die Wand, als eine endlos lange Reihe Soldaten um die Ecke bog. Sie hielten ihre Waffen schussbereit und marschierten schnell an ihnen vorbei. Kein einziger von ihnen warf auch nur einen Blick in das Verlies. Sie bemerkten gar nicht, dass die Gitterstäbe seiner Zelle geschmolzen und er frei war.
Mit bebender Brust linste Declan durch die Tür. Als er sicher war, dass sie weg waren, nahm er sich ihre Fesseln vor.
„Unsere Armee wird mobilisiert“, drängte sie.
„Ja. Und wie das da oben klingt, hat Kestrel unsere ganze Legion geschickt, um mich zu befreien“, sagte er, ohne aufzublicken. „Und wie ich meine Schwester kenne, wird sie nicht zulassen, dass auch nur einer von ihnen ohne mich hier wieder verschwindet.“
„Na und? Das klingt doch wie eine ganz normale Befreiungsaktion.“ Sie versuchte locker zu klingen, aber irgendetwas an seiner Stimme und an der Eile, mit der er sie befreien wollte, beunruhigte sie.
Declan löste den letzten Knoten und wickelte den Strick von ihren aufgescheuerten Handgelenken. „Wenn sie Erfolg haben,werden sie nicht wieder abziehen, bis sie die Königin und ihre Erbin aufgespürt und umgebracht haben. Jedenfalls nicht, wenn es mir nicht gelingt, sie rechtzeitig zu erreichen und davon abzuhalten.“
Alexia sackten die Knie weg. Sie wusste selbst nicht, ob das an seiner Bemerkung lag oder an ihrer Schwäche. Er packte sie an Schultern und Hüften, um sie auf den Beinen zu halten.
„Natürlich nicht.“ Alexia schluckte. „Und wenn sie versagen?“ Endlich spürte sie, wie ihre jahrelang trainierte Selbstkontrolle das Kommando übernahm. Ihre Stimme wurde kämpferisch und unnachgiebig.
Für einen Augenblick streichelte er ihre Wange mit dem Daumen. Sie fühlte sich plötzlich innerlich ganz leer.
„Dann werden wir alle sterben.“ Seine ehrliche Antwort verstärkte das hohle Gefühl in ihrem Magen noch. „Wir sind die Letzten unserer Art. Wenn wir zugrunde gehen, dann wird es bald so sein, als hätten Drachen niemals existiert.“
Alexia zögerte keine Sekunde. „Dann musst du sofort verschwinden.“
Seine Hand an ihrer Hüfte verkrampfte sich verzweifelt. „Ich kann dich doch nicht hier zurücklassen.“
„Aber bleiben kannst du erst recht nicht.“
Wie um ihre Worte zu unterstreichen, krachte oben wieder etwas auf die Decke, und Steinchen bröckelten herab. Aber diesmal waren als Antwort Schüsse zu hören. Seine Schultern zuckten bei jedem Schuss. Das waren seine Leute, auf die dort gefeuert wurde. Er musste ihr nicht sagen, wie zerrissen er sich fühlte, ein Teil von ihm wollte weg, der andere wollte bleiben. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Geh“, sagte sie und gab ihm einen Schubs.
Seine Hände fielen zur Seite, und er trat ein paar Schritte zurück. Vielleicht würde sie ihn nie wiedersehen, nie wieder seine Berührung spüren, schoss es ihr durch den Kopf.
Declan blickte ihr forschend ins Gesicht.
Oben waren Gewehrfeuer und jetzt auch Schreie zu hören.
„Geh“, wiederholte sie.
„Und was ist mit dir?“
„Ich gehöre hierher, um für mein Volk zu kämpfen. So wie du für deins kämpfen musst.“
„Aber Lotharus …“
„Nach dem morgigen Tag, wenn ich den Thron bestiegen habe, wird
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