Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
Familie nicht gezwungen sein würde, das Leben derjenigen zu zerstören, die sie liebte und von denen sie geliebt wurde.
Große Göttin, konnte so eine Welt denn überhaupt existieren?
Sie musste wieder an Davna Vremana denken, jene utopische Gesellschaft, die es einmal gegeben haben sollte und deren Umrisse im Garten ihrer Mutter im Brunnen unsterblich verewigt worden waren. Sie sah hinab auf den Kristall in ihrer Hand. Vor ihren Augen erschien die Statue der Göttin Diana über ihrem Brunnen, sie hatte eine Hand ausgestreckt, mit der Handfläche nach oben, als würde sie darauf warten, dass etwas hineingelegt würde. Dann hörte sie im Geist die flüsternde Stimme ihrer Mutter:
Sie sagte, dass sie über den Berg fliegen müssen, dann über den Fluss bis jenseits des Meeres. Weit, weit weg, wo sie ihnen nichts tun kann.
„Ach. Du. Große. Göttin.“ Alexia starrte den Kristall in ihrer Hand an. Auf einen Schlag wurde ihr klar, dass sie womöglich den Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden mit den Drachen in der Hand hielt. Es war nicht das, was Lotharus für seine Pläne brauchte oder wovon in der Schriftrolle die Rede sein musste. Aber es gab nur eine einzige Person auf der Welt, die das mit Sicherheit wusste.
15. KAPITEL
K aum war Declan erwacht, da breitete sich auch schon ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen aus. Er hörte ihr zartes Seufzen, spürte ihre noch zartere Haut und ließ ein behagliches Brummen hören.
„Mmm, Alexia“, murmelte er schläfrig, streckte die Hand nach hinten und tastete nach ihr. Vielleicht durfte er ja noch einmal von ihr kosten, bevor der Tag anbrach.
Das Bett hinter ihm war kalt.
„Alexia?“ Er stutzte und klopfte die Matratze ab, fühlte aber nichts anderes als das bloße Laken. Declan fuhr hoch, wirbelte auf Händen und Knien herum und suchte das Bett ab.
Leer.
Der erste Gedanke, der ihm durchs Hirn schoss: Jemand hat sie mir weggenommen. Seine Wut war so groß, dass seine Arme und Beine zitterten. Er schlug die Decke zur Seite und stürmte zum Kleiderschrank. Er riss die ersten Kleidungsstücke heraus, die er in die Finger bekam, zog einen Pullover über den Kopf, schlüpfte in eine zerknitterte Jeans und marschierte eilig zum Schreibtisch, um die Schriftrolle zu holen.
In diesem Augenblick schlug ihm die Wahrheit kalt ins Gesicht.
Der Kristall.
Fassungslos legte er die Schriftrolle hin und suchte hektisch die Tischplatte, dann den ganzen Raum ab.
Der Kristall war weg.
Sie war weg.
Man brauchte kein Genie zu sein, um darauf zu kommen, wohin beide verschwunden waren. Declans Knie gaben nach, er ging in die Hocke und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab. Er spürte einen so scharfen Schmerz in der Brust, dass er kaum noch atmen konnte. Er holte tief Luft und erstarrte.
Über die Tischplatte verteilt waren die Tassen, noch halb voll mit kaltem Kaffee von gestern, das blutbedeckte Messer,Federkiel und Tintenfass, aber seine Augen nahmen ausschließlich ein paar hastig gekritzelte Worte wahr, auf der oberen Ecke der Schriftrolle.
Ich liebe dich auch …
Ungläubig nahm er das brüchige Papier in die Hand und riss die Ecke mit ihrer handgeschriebenen Botschaft ab. Es war das erste Mal, dass er ihre Handschrift erblickte, aber darauf verschwendete er kaum einen Gedanken. Sie war genauso entzückend wie ihr Gesicht.
Ein Abgrund tat sich vor ihm auf. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was für Einzelheiten und Feinheiten er noch alles über sie herausfinden musste. Wozu er möglicherweise niemals mehr Gelegenheit bekommen würde. Declan hielt das Stück Papier dicht vor die Augen und las die Worte wieder und wieder, bis sie verschwammen.
Sie liebte ihn.
Aber sie hatte ihn verlassen.
Auf einmal fühlte er sich unendlich einsam. Ein Teil seiner Seele schien irgendwie nicht mehr ganz zu sein, wie die Fragmente der Schriftrolle da auf seinem Tisch. Er zerknüllte das Stück Papier in der Faust und presste die Knöchel an die Augen. Sofort sah er nur noch Alexia vor sich. Declan mahlte mit den Zähnen. Jetzt erst wurde ihm bewusst, was sie da eigentlich geschrieben hatte, und ihm wurde wieder warm ums Herz. Er öffnete die Augen und hielt den Papierfetzen dicht vor die Augen.
Ich liebe dich auch …
Wieder und wieder las er diese vier Worte. Warum sollte sie etwas so Bedeutsames zu Papier bringen und wieso gerade jetzt? Als er es begriff, wich alle Kraft aus seinem Körper.
Es war ein Abschied.
Declan fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
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