Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
Sein Herz focht eine sinnlose Schlacht mit seinem Verstand aus. Offenbar hatte sie gestern gar nicht mehr geschlafen, sondern belauscht, was er zu seiner Schwester sagte. Hatte Alexia das Gespräch mitbekommen und dann den Kristall gestohlen, um zu einem Mannzurückzukehren, der versuchen würde, sie umzubringen? Das ergab doch keinen Sinn. Nichts von alledem ergab irgendeinen Sinn. Declan mochte nicht viel über sie wissen, aber verdammt noch mal, er kannte sie doch. Sie würde ihn doch nicht einfach so verlassen, außer …
Oh, ihr Götter.
Er musste sich an einem Stuhl festhalten, um nicht zu Boden zu stürzen. Die Alexia, die er kannte, wäre durchaus in der Lage, etwas Unbesonnenes zu tun, um ein Leben zu retten, die Drachen zu retten. Schließlich hatte sie ihr eigenes Leben schon zuvor für ihn aufs Spiel gesetzt. Dass sie hörte, wie er vor anderen seine Liebe zu ihr verkündete, konnte der entscheidende Auslöser gewesen sein, den sie noch brauchte, um loszuziehen und Lotharus auf eigene Faust zu stoppen. Bei den Göttern, etwas so Schwachsinniges sähe ihr tatsächlich ähnlich.
Declan schob Papiere und Federkiele beiseite, bis er fand, was er suchte. Er schnappte sich das Walkie-Talkie und schaltete es an.
Er drückte auf den Sprechknopf, ließ ihn aber sofort wieder los. Vor lauter widerstreitenden Gefühlen hatte er einen solchen Kloß im Hals, dass er sich nicht sicher war, ob er überhaupt ein Wort herausbringen würde. Er räusperte sich mehrmals, atmete durch und versuchte es noch mal.
„Kestrel, hörst du mich?“
Aus dem kleinen Lautsprecher drang nur statisches Rauschen.
Da fiel ihm ein, dass es noch früher Morgen war. Seine wütende Ungeduld wurde damit jedoch nicht weniger. Rücksichtnahme auf die Uhrzeit durfte jetzt keine Rolle spielen. „Kestrel, hier spricht Declan, hörst du …“
„Ja doch, ja. Ich höre.“
Als Kestrel endlich verschlafen antwortete, rannte Declan bereits durch den Gang und die Treppe zur Halle hoch, drei Stufen auf einmal nehmend. „Du musst sofort eine Krisensitzung der Ratsversammlung einberufen.“
„Eine Krisensitzung? Aber der Rat ist …“
„Sofort!“
Alexia schritt durch die Katakomben und versuchte, nicht an die schmerzhafte Leere in ihr zu denken. Die leise Stimme in ihrem Innern zu überhören, die ihr einflüsterte, dass sie sich einer idiotischen Hoffnung hingab, wenn sie sich auf das verließ, was sie in Declans Zimmer gehört hatte.
Declan.
Sie konnte nur an ihn denken. Alexia legte sich eine Hand auf den Bauch und stützte sich mit der anderen an der Wand ab. Mit geschlossenen Augen versuchte sie verzweifelt, sich daran zu erinnern, warum in aller Welt sie aus diesem Bett entschwunden war.
Es ging um die Zukunft. Eine friedliche Zukunft.
Endlich setzte sie ihren Weg fort und sagte Sätze wie ein Mantra bei jedem Schritt durch die stillen Gänge immer wieder vor sich hin.
Als sie um die Ecke zu den Gemächern ihrer Mutter bog, erstarrte sie. Keine Wachen vor der Tür. Was hatte das zu bedeuten? Sie zog ihre Pistole, hielt sie mit angewinkelten Armen in Kopfhöhe und schlich mit dem Rücken zur Wand auf die Tür zu. Mit einer Hand riss sie die Tür weit auf und wartete eine Sekunde. Da sich nichts tat, machte sie einen schnellen Schritt, drehte sich gleichzeitig um die eigene Achse und zielte mit der beidhändig gehaltenen Waffe ins Innere.
Der Raum war leer. Sie lief die Treppe hinab, folgte dem gewundenen Weg durch die Gärten, wo der Gesang der Vögel sie begrüßte, und verfluchte zum ersten Mal die Tatsache, dass es hier so viele Versteckmöglichkeiten gab. Mehrmals ging sie in die Hocke und suchte mit vorgehaltener Waffe das Unterholz ab. Dann lief sie schnell auf das Schlafgemach ihrer Mutter zu.
In der Nähe der Besprechungsräume lugte sie um den Stamm einer großen Eiche herum, stieg schnell den mit Steinplatten ausgelegten Weg zum oberen Stockwerk hinauf und blieb verblüfft stehen. Selbst von hier aus konnte sie erkennen, dass im Zimmer ihrer Mutter kein einziges Licht brannte.
Vorsichtig stieg sie die Treppe hoch. An der dritten Stufeentdeckte sie plötzlich verschmierte rötlich braune Streifen, die die sonst makellosen Steine verschmutzten.
Blut.
Vor Angst krampfte sich ihr Magen zusammen. Alexia holte tief Luft und nahm die nächste Stufe. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, ihr heftiger Atem hallte in dem leeren Raum. Sie warf einen Blick zurück über die Schulter, aber in den Gärten blieb es noch immer
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