Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
an. „Die Vampire, dieser Lotharus, er hat uns Bedingungen überbringen lassen. Was sind das für Bedingungen?“
„Mein Bruder, ruh dich aus. Ich flehe dich an …“
„Verdammt noch mal, du wirst mir das jetzt sofort sagen. Ich befehle es dir als dein König!“
Tallon schluckte ihren Schmerz und ihre Fassungslosigkeit herunter. „Bei Sonnenuntergang werden sie zu Tausenden über uns herfallen, wenn wir ihnen nicht den Kristall zurückgeben.“
„Und Alexia?“
Tallon verdrehte die Augen. „Um Himmels willen …“ „Tallon, was ist mit ihr?“
„Na, was glaubst du wohl? Sie verlangen, dass sie es ist, die ihnen den Kristall überbringt.“ Mit verschränkten Armen betrachtete sie ihren Bruder misstrauisch. „Wo ist der Kristall überhaupt?“
Sein Blick schweifte ab, und er kaute verlegen auf seinem Daumen herum. „In Sicherheit.“
„Jetzt reicht’s aber mit dieser Geheimnistuerei, Declan.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nachdem du mich mit dieser Tasche derart reingelegt hast, will ich ihn sehen.“
Declan machte ein Gesicht wie ein getretener Hund, und Tallon fühlte sich genauso, als hätte sie ihn gerade geschlagen.
Ohne ein weiteres Wort stürmte er zu seinem Arbeitstisch. Tallon beobachtete bestürzt, wie er ein kleines Messer aus der obersten Schublade holte und mit der Spitze auf eine Stelle unterhalb seiner Rippen zeigte. Sofort hatte sie wieder diese blöde Geschichte von Romeo und Julia vor Augen, die sich am Ende selbst umbrachten. „Declan, nicht!“, schrie sie, als er sich die Klinge in den Leib rammte.
Aller Ärger war vergessen. Sie rannte zu ihm hin. „Bei den Göttern, Bruder“, keuchte sie und griff nach dem Messer. Doch Declan knallte ihr die Schulter mit solcher Kraft unters Kinn, dass sie beinahe zu Boden gegangen wäre. Dann sah sie fassungslos zu, wie er das blutverschmierte Messer auf die Tischplatte hieb und zwei Finger in die frische Wunde steckte.
Er stöhnte vor Schmerz. Tallon wurde fast schlecht, als er noch tiefer in der Wunde herumstocherte. Sein Gesicht wurde ganz blass, und überall brach ihm der Schweiß aus. Dann atmete er hörbar aus und zog etwas aus seinem Körper heraus. Er stützte sich schwer auf dem Tisch ab und holte zweimal tief Luft, bevorer wieder aufrecht stand.
Tallon riss die Augen auf, als er den blutbedeckten Kristall in die Höhe hob. „Bist du nun zufrieden?“
Vor Scham und Selbstvorwürfen wurde ihr ganz anders. „Bei den Göttern“, stöhnte sie. „Declan, ich …“
„Raus mit dir“, keuchte er. „Geh raus und sag allen, sie sollen sich auf die Schlacht vorbereiten.“
Declan atmete langsam und gleichmäßig. Alexia lag neben ihm auf der Seite und ließ ihren Blick über jede Wölbung und Höhlung seines verführerischen Rückens wandern, als wollte sie sich jedes Detail fest einprägen. Seufzend drehte sie sich weg, als ihr bewusst wurde, dass sie nichts anderes tat.
Immer wieder die gleichen Bilder und Sätze rasten durch ihr Hirn. Sie konnte einfach nicht aufhören, ständig über alles nachzudenken … über jedes Wort, das zwischen Declan und seiner Schwester gewechselt worden war und das sie belauscht hatte, über den Kristall, die Schriftrolle, über ihre Mutter und vor allem über Lotharus und seinen hinterhältigen Plan.
Declan mochte ein König sein, er mochte schlau und tapfer und stark sein, aber sie war es, die von Lotharus ausgebildet worden war, sie kannte seine Schliche, seine Strategie, sie wusste, dass er einen Angriff auf die Drachenhöhle hier oben in den Bergen niemals wagen würde. Bei dem unbeständigen Wetter war das viel zu riskant. Und Lotharus ging nicht gern Risiken ein. Er ging lieber auf Nummer sicher, damit alles ohne große Gefahren und große Mühe wie vorausgeplant ablief. Er machte sich auch nicht gern die Hände schmutzig. Nichts von dem, was Tallon gesagt hatte, ergab irgendeinen Sinn.
„Na gut, Alexia, denk nach“, flüsterte sie vor sich hin. Lotharus wollte diesen Kristall unbedingt haben. Aber würde er nicht auch die Schriftrolle brauchen? Oder hatte er sie zur Sicherheit abschreiben lassen, bevor die Drachen sie gestohlen hatten? Was stand da überhaupt drin? Ihr Blick wanderte unwillkürlich zu Declans Schreibtisch.
Alexia schob die schwere Felldecke beiseite, schlüpfte aus dem Bett und schlich barfuß durch das Zimmer. Trotz des dicken Flanellnachthemds zitterte sie vor Kälte. Sie verschränkte die Arme, um sich zu wärmen, und ging zu dem Tisch. Obenauf lag die
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