Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
Blut auf der Zunge hatte, lief ein Zucken durch ihren ganzen Körper. Dichter grauerNebel wirbelte vor ihren Augen herum und verschleierte ihre Sicht. Es ging alles so schnell, ganz anders als damals, als sie Declans Blut getrunken hatte. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie wäre nicht in der Lage gewesen, wieder loszulassen. Der Nebel hielt sie gefangen. Mit jedem Luftzug drang feuchter Dunst in ihre Lungen. Dieser plötzliche Energieschub stammte ohne Zweifel vom Blut ihrer Mutter. Sie begriff, dass sie nun von jenem Wahnsinn kostete, hinter dem Lotharus sein Leben lang her gewesen war, von jenem Wahnsinn, der die Geschichte ihres Volkes für immer verändert hatte.
In der farblosen Substanz, die um sie herumwirbelte, nahmen plötzlich Gestalten Form an. Zunächst waren es nur dunkle Umrisse, wie ununterscheidbare Schatten hinter mehreren Vorhängen. Dann wurden die Vorhänge nach und nach beiseite gezogen, stückchenweise wurden Einzelheiten erkennbar. Aus den Umrissen wurden Wesen. Aus dem Rauschen ihres eigenen Blutes in ihren Ohren wurden Stimmen. Geräusche, die erst so dumpf klangen, als wäre sie unter Wasser, drangen als klar vernehmbare Töne an ihr Ohr. Eine deutlich erkennbare Stimme erhob sich über die anderen.
Es war die Stimme der Königin, leise und flüsternd, und außerdem waren da noch zwei andere Stimmen, die eine weiblich, die andere männlich. Alexia kniff die Augen zusammen, um diese Gestalten, diese Erinnerungen klarer erkennen zu können. Auf einen Schlag hob sich der Nebel und enthüllte ein Bild vor ihren Augen.
Der Kerker. Alexia würde diesen Raum niemals vergessen. Aber beim Anblick der beiden anderen, deren Stimmen sie hörte, wurde Alexia schwindlig.
Der Drachenkönig und seine Drachenkönigin!
Ihr Herz raste jetzt mit halsbrecherischem Tempo. Es stimmte also doch. Ihre Mutter hatte mit alledem etwas zu tun gehabt. Alexia kniff die Augen noch fester zusammen, um sich konzentrieren zu können, um sehen zu können, um hören zu können.
Alle drei standen in einer Ecke des Verlieses, nicht weit vonder Stelle entfernt, wo Declan an die Wand gefesselt gewesen war. Der Drachenkönig und die Drachenkönigin waren blutverschmiert und von Schmutz bedeckt nach all der Zeit, die sie in dieser Hölle verbringen mussten, ganz wie ihr Sohn. Große Göttin, Declan hatte recht gehabt. Sein Vater war ein Riese. Sein Rücken und seine breiten Schultern allein waren schon gewaltig. Wulstige Muskeln bedeckten seinen Körper. Kompliziert verschlungene Tätowierungen wanden sich um seine Oberarme, und altertümliche Buchstaben bedeckten seinen Rücken.
Dann erblickte Alexia das kleine Weibchen, das der Drachenkönig mit seinen mächtigen Gliedmaßen beschützend abschirmte. Neben seiner gigantischen Drachengestalt wirkte sie winzig und zerbrechlich. Es konnte keinen Zweifel geben, dass sie als menschliches Wesen auf die Welt gekommen war.
Alexia rief sich ins Gedächtnis, wie Declan von den beiden gesprochen hatte, über die Trauer, mit der ihr Tod seine Seele erfüllte, und auch sie spürte Trauer, verbunden mit Stolz. Die Gefühle waren so überwältigend, dass sie es selbst kaum fassen konnte. Sie zögerte eine Sekunde, dann trank sie weiter das Blut der Königin und konzentrierte sich darauf, was die Erinnerung ihr mitteilen wollte. Was ihre Mutter ihr zeigen wollte.
„Warum sollten wir dir trauen?“ Das war die Stimme von Declans Vater, fest und entschlossen. Der Tonfall erinnerte sie sofort an seinen Sohn.
„Ihr habt keine andere Wahl“, hörte sie ihre Mutter antworten. „Wenn ihr hierbleibt, müsst ihr sterben.“
„Aber ich verstehe das nicht“, sagte die Drachenkönigin. „Wieso willst du uns helfen?“
„Dafür habe ich Gründe. Damit diese Gründe sich erfüllen, müsst ihr nichts anderes tun, als am Leben zu bleiben.“
Hinter der Königin tauchte eine weitere Silhouette auf. Eine vierte Person trat aus dem Schatten in das fahle Licht des Kerkers. Alexia stockte der Atem.
„Yuri?“ Der Onkel, der an der Seite ihres Vaters gestorben war, stand neben der Königin. Er war groß, dunkelhaarig undgut aussehend. Er betrachtete die Drachen ohne jede Verachtung, aber auch ohne jedes Mitgefühl.
„Das ist mein Bruder“, sagte die Königin. „Er wird euch an einen Ort bringen, zu dem ich euch nicht begleiten kann.“
Die beiden Drachen schienen diese Gleichgültigkeit Yuris ebenfalls zu spüren, denn sie wirkten unentschlossen und zurückhaltend.
„Wieso können wir
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