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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sein. Obwohl der Raum, wenn man so sagen darf, nicht benützt wird.»
    Im nächsten Augenblick bekam er einen Heidenschreck.
    «Alfred», schrie Bündel, «Sie müssen mir einen Platz suchen, wo ich mich verstecken kann.»
    Alfred sah sie verzweifelt an. «Aber das ist unmöglich, Mylady. Sie werden mich nur in entsetzliche Schwierigkeiten bringen. Ich verliere meinen Job!»
    «Den sind Sie sowieso los, wenn Sie ins Gefängnis kommen», meinte Bündel unfreundlich.
    «Aber hier gibt es kein Versteck», jammerte Alfred. «Überzeugen Sie sich selbst, Mylady!»
    Bündel musste zugeben, dass an diesem Argument etwas Wahres war. Noch nie hatte ein Zimmer weniger Möglichkeiten geboten, sich zu verbergen, als dieses. Die schmutzigen Rouleaus waren vor den Fenstern heruntergelassen, es gab keine Vorhänge. Das äußere Fensterbrett war etwa zehn Zentimeter breit, wie sie feststellte. Im Zimmer standen nur der Tisch, die Stühle und die Schränke.
    Am zweiten Schrank steckte der Schlüssel. Bündel schloss auf. Die Regale waren voll mit Gläsern und Geschirr.
    «Überflüssiges Zeug, das wir nicht benutzen», erklärte Alfred. «Sie sehen selbst, dass sich hier nicht einmal eine Katze verstecken könnte.»
    Bündel untersuchte bereits die Regale. «Miese Arbeit. Haben Sie einen anderen Schrank, wo Sie das Geschirr verstauen können? Ja? Gut. Dann bringen Sie alles nach unten. Beeilen Sie sich – wir dürfen keine Zeit verlieren!»
    «Unmöglich, Mylady! Es ist schon spät. Jeden Augenblick wird der Koch kommen.»
    «Mr Mosgorovsky taucht doch sicher erst später auf, oder?»
    «Nie vor Mitternacht.»
    «Dann los!»
    Händeringend verschwand Alfred. Kurz darauf kam er mit einem Tablett zurück und begann mit überraschender Energie zu arbeiten. Er hatte begriffen, dass seine Proteste nutzlos waren.
    Wie Bündel schon festgestellt hatte, konnte man die Bretter leicht herausnehmen. Sie stellte sie senkrecht an die Schrankwand und kletterte hinein.
    «Hm», meinte sie. «Ziemlich eng. Schließen Sie die Tür bitte vorsichtig, Alfred – so ist es gut! Ja, das lässt sich machen. Jetzt brauche ich einen Bohrer.»
    «Ich weiß nicht…»
    «Unsinn. Sie werden doch einen Bohrer haben! Wenn nicht, ziehen Sie eben los und kaufen einen!»
    Alfred verschwand und kehrte nach kurzer Zeit mit einer Sammlung ganz brauchbarer Werkzeuge zurück. Bündel fand, was sie suchte und bohrte ein kleines Loch in die Schrankwand, in Höhe ihres rechten Auges.
    «Mein Gott, Mylady! Man wird Sie finden!», rief Alfred.
    «Man wird die Tür nicht aufmachen können», erklärte Bündel. «Weil Sie nämlich abschließen und den Schlüssel verstecken.»
    «Und wenn Mr Mosgorovsky danach fragt?»
    «Dann ist er eben verloren gegangen. Kein Mensch wird sich um den Schrank kümmern – er ist nur dazu da, um von dem anderen abzulenken. Los; los, Alfred! Es kann jederzeit jemand kommen. Schließen Sie mich ein und nehmen Sie den Schlüssel an sich! Wenn alle gegangen sind, lassen Sie mich wieder raus.»
    Sie hatte keine Angst, dass Alfred die Nerven verlieren und sie verraten könnte. Sie wusste, dass sein Selbsterhaltungstrieb stärker war. Jahrelange Übung würde ihm helfen, seine persönlichen Gefühle hinter der Maske des perfekten Dieners zu verbergen.
    Nur eines beunruhigte sie. Die Folgerung, die sie daraus gezogen hatte, dass das Zimmer heute Morgen geputzt worden war, konnte falsch sein. Bündel seufzte in ihrem engen Schrank. Die Aussicht, hier lange Stunden für nichts und wieder nichts zu verbringen, war nicht sehr verlockend.

14
     
    Ü ber die nächsten leidvollen vier Stunden können wir hinweggehen. Bündel fand ihre Lage ziemlich beengt. Sie hatte angenommen, dass das Treffen – falls überhaupt eines stattfand – zu einer Zeit abgehalten werden würde, wo der Klub in vollem Betrieb war, also irgendwann zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens.
    Als sie gerade dachte, es müsse mindestens sechs Uhr morgens sein, traf ein sehnlichst erwartetes Geräusch an ihr Ohr: Eine Tür wurde aufgeschlossen.
    Gleich darauf machte jemand Licht. Das Stimmengewirr, das für zwei oder drei Sekunden an ihre Ohren gedrungen war wie das Rauschen des Meeres, brach so plötzlich ab, wie es begonnen hatte.
    Bündel hörte, wie irgendwo ein Riegel vorgeschoben wurde. Es war also jemand aus dem Spielsalon hereingekommen.
    Nach einem Augenblick trat der Eindringling in ihr Gesichtsfeld – oder in das, was sie durch das kleine Loch sehen konnte. Es war ein

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