Der letzte Karpatenwolf
auf die Strohmatratze. Er stopfte seine Pfeife, rauchte sie an, blies den Qualm gegen die nahe Holzbalkendecke und sah dann den deutschen Soldaten an.
»Nun ist es also geschehen«, sagte er dumpf. »Mein Töchterchen Sonja ist eine Deutsche geworden. Über Nacht, he – nicht wahr?«
»Wir lieben uns, Vater Mihai«, erwiderte Michael. »Und wenn Frieden wäre, würden wir heiraten.«
»Ohne mich zu fragen?«
»Ich würde fragen.«
»Du hast es vergangene Nacht auch nicht getan! Aus meinem Kind ist eine Frau geworden – wäre es einer aus dem Dorf gewesen, dieser Mormeth vielleicht, ich hätte ihn erschlagen! Ja, das hätte ich!«
»Und warum tust du es nicht mit mir?«
»Warum? Ja, warum?! Das frage ich mich auch! Ich habe dich als Gast aufgenommen, und du nimmst mir die Tochter weg!«
»Sie ist bei mir geblieben. Freiwillig, nicht gezwungen.« Michael stand in der engen Kammer gebückt am Fenster. Er sah noch schmal aus, knabenhaft jung … nur um seinen Mund lagen Falten, die wie ein Schnitt durch seine Jugend gingen.
Der alte Mihai winkte ab. »Freiwillig … als ob das wichtig wäre. Es ist geschehen. Gut! Ich habe die ganze Nacht wach gesessen. Ich habe auf Sonja gewartet. Sie kam erst beim Morgengrauen von dir herunter. Weißt du, was es für einen Vater bedeutet, dazusitzen und zu warten und zu wissen, was über seinem alten Haupte vorgeht?! Es ist für ihn wie ein halber Tod. Er wird zerfleischt.« Er sah Michael aus seinen großen Augen an. Sie hat die Augen von ihm, durchfuhr es Michael. Es ist der gleiche Blick. Unergründlich, voll Rätsel, was hinter diesen Pupillen an Gedanken verborgen ist, selbst noch geheimnisvoll in der Hingabe und im Glück.
»Was soll nun werden?« fragte Mihai Patrascu.
»Wir müssen weiter warten. Daß Sonja und ich zusammengehören, wird sich nie ändern. Nur die Zeit muß sich ändern.«
»Und wenn sie ein Kind bekommt?«
Michael schrak zusammen. Ein Kind? Sonja und er …
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, stotterte er.
»Man muß daran denken. Unsere Frauen gebären gern. Sie sind wie ein schwarzer, fruchtbarer Boden. Was soll werden, wenn Sonja ein Kind bekommt? Von wem soll es sein? Soll sie sagen: Ich weiß den Vater nicht?! Sagt sie: Ein deutscher Soldat ist der Vater, wird man sie nach Bacau holen, verprügeln, ihr die Haare abscheren und durch die Straßen peitschen.« Der alte Mihai keuchte vor Erregung. »Daran hast du nicht gedacht, was? Wie die heißen Füchse habt ihr euch benommen! Daß ihr jungen Menschen nie denken könnt, wenn es über euch kommt!«
Michael nagte an der Unterlippe. Was Mihai Patrascu sagte, war so wahr, daß es ihn niederdrückte.
»Der Pope wird uns trauen«, sagte er leise. »Er kann es … dann sind wir vor Gott ein Paar!«
»Heiraten! Soll sie einen Geist heiraten? Es darf dich keiner sehen! Keiner weiß, daß du lebst. Keiner hat dich gesprochen. Aber die Sonjascha bekommt ein Kind … von der Luft, he?! Sie kann es doch nicht verstecken wie dich!«
Michael nickte. »Ich werde mich der Miliz stellen«, sagte er heiser. »Vielleicht läßt man mich nach einigen Monaten wieder frei. Der Krieg ist ja zu Ende.«
»Aber nicht die Kopfjagd. Auf jeden deutschen Soldaten haben die Sowjets ein Kopfgeld ausgesetzt. Sie sind ganz wild auf die noch in den Karpaten lebenden Deutschen.« Mihai schüttelte den Kopf. »Was soll Sonja mit einem Kind ohne Vater? Nein, nein … warten wir es ab, mein Söhnchen. Wenn sie schwanger wird, werdet ihr in einen Bretterverschlag über der Scheune ziehen. Im Dorf werde ich sagen, Sonja sei bei ihrer Tante in Damienesti. Ihre Lunge sei krank. Ist das ein guter Gedanke, he?«
Michael nickte. Er war so hilflos, daß es den alten Mihai dauerte. Kinder bekommen Kinder … mein Gott, welch eine verworrene Zeit! Er erhob sich von dem Strohbett und boxte Michael gegen die schmale Brust.
»Du bist ein Bauernsohn?«
»Ja. Aus Westfalen. Ich habe Pferde gezüchtet …«
»Für Pferde sind wir zu arm. Aber Ochsen haben wir. Kannst du pflügen?«
»Ja. Auch mit einem Ochsengespann. Ich kann alles, was man auf einem Hof verlangt.«
»Mit diesen schwachen Armen? Jedes Ferkel wirft dich um!«
»Ich werde stärker werden, Vater Mihai.«
»Wir wollen sehen.« Er musterte Michael wieder, als sei er eine Kuh, die Patrascu kaufen wollte. Es war verwunderlich, daß er ihm nicht die Kiefer auseinanderzog, um die Zähne zu kontrollieren. »Du wirst nachts Holz fällen. Das macht stark.«
»Ich tue alles,
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