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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht weiter. Er wartete auf Essen und Wein.
    Wassile war klug genug, ihn nicht mehr anzusprechen. Er blieb auf seinem Platz sitzen, aß stumm mit und rauchte schweigend eine Zigarette und ging ebenso schweigend in seine kleine Kammer. Anna führte ihn.
    Die Uniform Stepan Mormeths hing noch an einem Haken hinter der Tür. Als Anna die Tür hinter ihm zuzog und Popa allein war, riß er das Fenster auf und warf die Uniform hinaus auf den Hof.
    Es war ihm ein Bedürfnis, das zu tun. Seine Phantasie reichte so weit, zu denken, daß in der erdbraunen Montur ein Mensch steckte.
    »Hund!« sagte Popa verächtlich. »So wird es allen Feinden Rumäniens ergehen!«
    In der zweiten Nacht nach dem Begräbnis Mormeths stiegen Sonja und Georghe Brinse in die Berge. Kräuter sammeln, sagten sie. Aus Kräutern und Wurzeln, die nur er kannte, braute Brinse einen Extrakt und eine Salbe, die gut gegen Rheuma und Gelenkentzündungen war. Er verkaufte sie unter Umgehung der staatlichen Apotheke von Bacau direkt an seine Kranken und hatte sogar Erfolge. Es fiel also nicht auf, daß er in die Bergwälder stieg. Sonja, die er anlernte in Krankenpflege, mußte ihn begleiten. In Tanescu war das selbstverständlich.
    Der blöde Grigori saß vor seiner Hütte, als Brinse und Sonja die Bergwiese hinaufkamen. Seit dem Begräbnis war er stiller geworden. Er hatte den Umtrunk nicht mitgemacht, der jeder Beerdigung folgt. Er war sofort zurück zu seiner Herde gegangen. Am nächsten Tag hatte er keine Faxen und Possen gerissen, als die Bauern die Schafe nach der vertraglichen Melkordnung abmolken. Er saß ernst, fast bedrückt, neben den ihn neckenden Burschen und ging schließlich brummend weg in seine Hütte, wo er sich einschloß.
    »Brüderchen Grigori ist krank!« riefen die Burschen. »Ist's der Frühling? Steckt ihm wohl in den Knochen, was? Sucht ein Weibchen, hei!« Brüllend vor Lachen melkten sie die Herde und stiegen dann singend ins Dorf hinab.
    Der Mord an Mormeth beschäftigte Paul Herberg stärker, als er es vorher gedacht hatte. Im Krieg, ja, da war es etwas anderes. Da galt es nur: Du oder ich … wer schneller ist, der überlebt. Aber der Krieg war vorbei. Und doch schoß man weiter, jagte die deutschen Soldaten, setzte Kopfprämien auf sie aus. Und auch Paul Herberg hatte geschossen, auf einen Wehrlosen, auf einen Ahnungslosen, aus dem Hinterhalt. Um das eigene Leben zu retten … das hatte er sich eingeredet, das hatte er sogar mit Gott ausgemacht, als er bettelte, er möge wegsehen. Aber war es gerecht gewesen? Wollte Mormeth wirklich die Kopfprämie verdienen? Warum kam er dann aber allein? Vielleicht hatte er etwas anderes gewollt. Es gab ja soviel Möglichkeiten, warum ein Mann nachts in die Berge steigt.
    Herberg hatte auch den Blick des Arztes Brinse nicht vergessen, mit dem dieser ihn ansah, als er beim Begräbnis das Plakat herumtrug. Brinse wußte, wie Mormeth gestorben war. Vielleicht hatte er sogar Grigori gesehen, wie er mit einem Sack auf dem Rücken, keuchend, stolpernd, in einem weiten Bogen um Tanescu herumlief und Mormeth an die Landstraße setzte.
    Nie hatte Herberg geglaubt, daß ihn ein Tod so erschüttern konnte. Er hatte in vier Jahren Hunderte von Menschen getötet, denn er war MG-Schütze. Tausende waren MG-Schützen, hier wie drüben beim Gegner, und alle hatten Hunderte getötet, die sie nicht kannten, von denen sie nichts wußten, als nur das: Sie sind Gegner, und wenn du nicht schießt, schießt er! Und auch er würde nicht sagen können, warum er schießen würde. Der Krieg war eben ein Wahnsinn!
    Doch Mormeth kannte er. Mormeth sah er fallen, mit einem kreisrunden Loch in der Stirn. Mormeth hatte er nicht getötet, sondern ermordet. Das ist ein Unterschied.
    An diesem späten Abend, durch den die Nacht bereits ihre dunklen Streifen zog, sah er deshalb mit gemischten Gefühlen den beiden Gestalten entgegen, die den Wiesenhang hinaufkamen. Es waren Georghe Brinse und Sonja, das sah er. Und was sie wollten, wußte er auch. Noch gestern hatte er kurz mit Michael Peters gesprochen. Michael lebte in einer Höhle auf halber Berghöhe, geschützt durch einen Steilhang, der in fast einstündiger Kletterei überwunden werden mußte, ehe man das Plateau mit der kleinen Höhle sah.
    Georghe Brinse nickte Grigori zu, als er ihn erreicht hatte. Wieder war in seinem Blick eine große Frage und ein stummer Vorwurf. Paul Herberg nickte zurück. Ja, ja … ich habe es getan! Und wenn ich jetzt sprechen dürfte,

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