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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wie Masken.
    Brinse nickte.
    »Haben Sie nicht an der Haustür das Zeichen gesehen, Major?«
    »Ein Zeichen?« Sumjow fuhr herum. »Was für ein Zeichen?«
    »Das Seuchenzeichen. Hier im Hause herrscht die Cholera! Sehen Sie sich doch bloß die beiden Weiber an … morgen schon können sie –« Brinse machte eine Kunstpause. Major Sumjow verstand. Die uralte Scheu aller Russen vor Seuchen brach aus ihm heraus und nahm völlig Besitz von ihm. Er wich mit seinen sieben Soldaten vor den Frauen zurück, als könne ihr Atem schon tödlich sein.
    »Warum ist das nicht gleich gesagt worden?« schrie er. »Ich werde das melden! Sie haben das Zeichen deutlich anzubringen, Doktor!« Er winkte ab, als Patrascu auf ihn zuging, und riß die Tür auf. »Dein Haus werde ich nicht zerschlagen, sondern abbrennen!« sagte er bebend vor Wut. »Ausräuchern werde ich dich, mitsamt deiner Cholerabrut!« Er winkte Georghe Brinse und den Soldaten. »Mitkommen! Zum nächsten Saboteur!«
    An der Haustür blieb er stehen. Wirklich. Über dem Eingangsbalken klebte ein rotes Kreuz auf weißem Grund. Jetzt sah man es deutlich. Sumjow schüttelte den Kopf. Wie konnte man das bloß übersehen?! So deutlich war es! Er sah kritisch auf Brinse. Der hob bedauernd die Schulter.
    Wütend rannte Sumjow zum nächsten Haus. Jon Lupescu blieb einen Augenblick zurück. Er faßte den weggehenden Brinse am Ärmel des Mantels.
    »Wie hast du Gauner das Schildchen so schnell an die Tür geklebt?« fragte er leise.
    Brinse sah Lupescu erstaunt und fast beleidigt an.
    »Bin ich ein Zauberer?« fragte er gedehnt.
    »Sie haben also wirklich die Cholera?«
    »Vielleicht ist es auch die Pest, Genosse.«
    »Die Pest?« Lupescu schluckte erregt. »Hier die Pest?«
    Brinse sah hinüber zu den sowjetischen Soldaten und nickte weise.
    »Die Pest ist heute fast überall«, sagte er und ging.

Kurz vor dem Aufstieg zur Wiese ruhte er sich noch einmal aus. Er faßte in die Hosentasche. Der blanke Stahl der Pistole war kalt. Totenkalt. Stepan Mormeth strich sich über die schweißnassen Haare. Dann stieg er weiter hinauf, der Schafhürde und der kleinen Blockhütte an der Felswand entgegen.
    Er hatte die Uniform ausgezogen und trug seinen alten, zerrissenen Zivilanzug, mit dem er aus Ploesti vor den Deutschen geflüchtet war, später vor den Russen wegrannte, bis er merkte, daß man ihn gebrauchen konnte, auch wenn er ein Zigeuner war. So wurde er Genosse und vertauschte den schäbigen Zivilanzug mit der erdbraunen Uniform.
    Mormeth hatte ihn wieder hervorgeholt, um Grigori zu täuschen. Wenn es wirklich wahr war, was Mormeth dachte, so würde Grigori – oder wie er hieß – sofort schießen, wenn er eine Uniform sah. Aber mit diesem lumpigen Anzug konnte man ihn täuschen. So wie jetzt Mormeth liefen nur noch die herum, auf die man seit zwei Jahren eine Kopfjagd machte … Deutsche und Legionäre Codreanus.
    Dieses Mal schlugen die Hunde an, sobald er über die Schafhürde hinausgekommen war. Sie bellten wie verrückt, aber in der Hütte rührte sich nichts. Kein Lichtschein, kein wanderndes Kerzenlicht. Nur Dunkelheit der Nacht. Gefährlich und unheimlich.
    Mormeth blieb stehen. Er musterte die Hütte, die dicke Bohlentür, die durch Läden verschlossenen Fenster. Zwischen ihm und der Tür lagen zwanzig Meter flaches, deckungsloses Land. Nicht einmal Wiese, sondern nackter Felsboden, auf dem man eine Spinne wandern sehen konnte.
    Nicht dumm, dachte Mormeth. Ein Schußfeld, das zu überqueren Verluste kostet. Eine Todeszone. Aber auf mich wird er nicht schießen. Ich bin ein abgerissener Wanderer. Ich sehe aus wie ein flüchtiger deutscher Soldat.
    Hinter seiner Schießscharte neben der Tür kauerte Paul Herberg. Er hatte Stepan Mormeths Kopf genau im Visier. Kimme und Korn des Karabiners waren eine Linie … in der Verlängerung war Mormeths Stirn. Ein weißlicher Fleck im fahlen Nachtdunkel.
    Noch zehn Meter, dachte Herberg. Er ist es, der braune Milizsoldat. Er muß es sein. Ich habe ja gewußt, daß er etwas gesehen hat. Mein Gott, ich habe es gewußt. Und nun sieh weg, Gott, und drücke die Hände ganz fest gegen deine Ohren, denn was jetzt auf deiner Erde geschieht, ist ein Mord. Einer von vielen, von Millionen … aber immerhin ein Mord! Doch ich will leben, mein Gott! Verstehst du das? Ich will meine Kinder wiedersehen, die Rosel und den Peter. Ich will hier nicht wie ein Vieh abgeschlachtet werden … darum morde ich. Es ist eine Sünde, mein Gott.., aber ich kann

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