Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
unverhofft und zu einer so ungewohnten Stunde, daß man Michael nicht schnell genug wieder durch die Falltür auf den Speicher heben konnte.
    Er saß beim Essen, als Vetter Eftimie in die Hütte platzte. Mihai Patrascu brauchte nicht zu erklären, wer der Gast war … Eftimie erkannte sofort, wer der Mann war, der sich aus dem Lichtschein wegdrückte in die hinterste Ecke und in die Tasche griff, wo er eine Pistole trug.
    »Das ist unangenehm, Leute«, sagte Polizist Eftimie und setzte sich schwer auf einen Stuhl neben dem Herd. »Da bin ich nun Polizist geworden, und ich bin stolz darauf, und finde in meiner eigenen Familie einen Deutschen! Du bist doch ein Deutscher, was?« rief er zu Michael hinüber.
    Sonja antwortete statt seiner. Sie stellte sich vor Eftimie auf und schüttelte ihre langen, schwarzen Haare. Sie sah wild aus, zu allem entschlossen und völlig furchtlos.
    »Ja. Er ist es! Und ich liebe ihn. Ich werde ihn heiraten! Wenn du uns verrätst, gehe ich mit ihm ins Zuchthaus. Willst du das?«
    »Eigentlich nicht –«, sagte Eftimie gedehnt. »Aber der seelische Konflikt!«
    »In der Uniform hat man keine Seele!« sagte Mihai Patrascu rauh. »Vergiß, daß du eine trägst.«
    »Ich bin dabei, ein guter Kommunist zu werden. Und da passiert jetzt das! Wie kann ich jemals mit einer Lüge ein guter Kommunist werden?«
    »O Gott –« Patrascu klopfte seine Pfeife an der Ofenbank aus. »Wenn es in der Partei nur Ehrenhafte gäbe, bestände sie nur aus ein paar Mann!«
    Eftimie kratzte sich den Kopf. Er strich mit den Händen an seiner neuen Uniform herunter und atmete tief und seufzend.
    »Gut! Vergessen wir es!« Er erhob sich und ging zu Michael in die Ecke. Michael sprang auf. Sie standen sich gegenüber, beide schlank, beide so jung, beide glücklich, nur auf eine verschiedene Art.
    »Du bist für mich kein Deutscher«, sagte Eftimie leise und lächelte plötzlich, als er Michaels entspanntes Gesicht sah. »Du bist für mich Sonjas Mann. Gib mir die Hand.«
    Michael reichte sie ihm. Eftimie drückte sie kräftig. Es war der Beginn einer Freundschaft. Aber dann verdunkelte sich die Miene Eftimies wieder.
    »Was soll ich aber tun, wenn ich dich suchen muß?«
    »Du suchst in der anderen Richtung.«
    »Das ist Betrug, Freundchen. Ich habe einen Eid geschworen.«
    Mihai winkte ab. Er nahm Eftimie an der Schulter und drehte ihn zu sich herum. »Sonjas Mann wird doch nicht gesucht, du kleiner Idiot, was? Himmel – wie kommt bloß so ein Schwachkopf in unsere Familie!«
    »Ihr bringt Konflikte!« stöhnte Eftimie. »Aber im Grunde hast du recht, Onkel Mihai. Erst kommt die Familie, dann alles andere.«
    »Jetzt wacht er auf«, sagte Mihai zufrieden. »Komm, mein Jüngelchen, setz dich und iß! Und wenn die Uniform dich seelisch drückt«, sagte er ein wenig spöttisch, »dann zieh sie aus, wenn du uns besuchst. Willkommen bist du uns immer …«
    Eine Stunde später kam Wassile Popa von der Traktorenstation. Michael war schon wieder in seinem Dachverschlag. Popa grüßte Eftimie mit erhobener, grüßender Faust.
    »Freundschaft!« sagte er.
    »Freundschaft!« brüllte Eftimie zurück. Kurz darauf verließ er das Haus. Vor der Tür, am Brunnen, nickte er zum Haus zurück. »Wer ist denn das, Onkel Mihai?«
    »Unser zugewiesener Untermieter. Mein kommunistisches Aushängeschildchen.«
    »Das darf ich nun auch wieder nicht gehört haben«, stöhnte Eftimie. »Du machst es einem schwer, Onkelchen. Verflucht schwer.« Er rückte sein Koppel gerade und klopfte auf die neue, noch nach gegerbtem Leder riechende Pistolentasche. »Unangenehm ist er mir, dieser Popa.«
    »Nicht jeder ist so schön wie du, Eftimie.«
    »Laß die Witze, Onkel. Was würde er machen, wenn er Michael entdeckt?«
    »Nichts. Er würde verschwinden.«
    »Das habe ich überhaupt nicht gehört!« rief Eftimie entsetzt. »Dazu wärst du fähig?«
    »Es geht um Sonja …«
    »Sonja –« Der Polizist Eftimie drückte Mihai die Hand. »Recht hast du wieder. Man muß sich verdammt angewöhnen, zweigleisig zu denken, um weiterzukommen …«
    Zehn Jahre sind ein ungeheurer Zeitraum, wenn man unter einem Dach lebt, in einer Kammer, in der man nicht aufrecht stehen kann.
    Zehn Jahre, in denen die Tage nur aus einem schmalen Fensterchen bestehen, mit einem schmalen Streifen Himmel, wenn man nach oben sieht … mit einem schmalen Streifen Land, wenn man nach unten blickt … zehn gestreifte Jahre … 3.650 Tage zwischen Kälte und sengender Hitze hockend

Weitere Kostenlose Bücher