Der letzte Kuss
die sie durchpulste, zu genießen. Nur für einen Augenblick, ermahnte sie sich. Nicht länger.
Er war anziehend und gleichzeitig außer Reichweite, wie die exotischen Reiseziele, die sie studiert und sich erträumt hatte, die sie aber niemals aufsuchen würde. Weil sie nicht ihr Vater war, und weil ihr Leben hier stattfand. Ausgeglichenheit und eine solide Zukunft waren an diese Stadt gebunden, daran, hier ihre Wurzeln zu haben.
Aber Romans Lippen, die sie jetzt an der weichen Stelle zwischen Kinn und Ohr berührten, ließen sie Sicherheit und Routine vergessen. Wärme durchpulste ihre Adern, Feuchtigkeit benetzte ihren Slip, und sie wollte so viel mehr, als sie sich zuvor eingestanden hatte.
»Geh Freitag Abend mit mir essen.« Seine kehlige Stimme hallte in ihrem Ohr nach.
»Ich kann …« Seine Lippen ließen sich auf ihrem Ohrläppchen nieder, seine Zähne knabberten genau an der richtigen Stelle. Weiße, heiße Pfeile der Begierde schossen in andere, intimere und empfindsamere Körpergegenden, und dieser Gefühlsschwall erweckte ihren Körper zum Leben. Sie stöhnte laut auf, brach ihren Satz und damit jeden beabsichtigten Widerspruch ab.
Seine Zähne gruben sich ein, wechselten sich dann ab mit seiner Zunge, heftig und federleicht zugleich, und verführerischer als das tiefste Verlangen, das sie je in sich verspürt hatte. Wenn er vorhatte, sie umzustimmen, dann machte er seine Sache erstaunlich gut. Seine Lippen verweilten, feucht und warm, ohne etwas zu fordern, aber gleichzeitig so unglaublich sinnlich. Eine zaghafte Stimme in ihrem Kopf versuchte zu rebellieren und erinnerte sie daran, dass dies hier Roman war, der wieder verschwinden würde, sobald es seiner Mutter besser ging, oder sobald ihn diese Stadt langweilen würde. Oder sie.
Sie sollte gehen! Dann streichelte er ihre Ohrmuschel mit seiner Zunge und pustete sanft auf ihre feuchte Haut. Wie sehr er sie in Versuchung führte. Ein Stöhnen entwich ihren kaum geöffneten Lippen.
»Ich verstehe das als eine Zusage«, flüsterte er.
Sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Ja zu einer Verabredung mit ihm? »Nein!«
»Dein Körper sagt mir aber etwas ganz Anderes.«
Er wich nicht zurück, was diese Abweisung schwerer machte als jede in der Vergangenheit – weil er Recht hatte. »Mein Körper braucht einen Aufpasser.«
Ein charmantes Grinsen umspielte seinen Mund. »Also, das ist eine Aufgabe, die ich gern übernehmen würde.«
»Natürlich nur, während du in der Stadt bist.« Sie zwang sich zu einem gelassenen Lächeln.
»Natürlich.« Endlich trat er zurück und gab ihr Raum zum Atmen, den sie dringend brauchte. »Du solltest wissen, dass ich ein Mann bin, der eine Herausforderung zu schätzen weiß, Charlie.«
Sie wurde ganz starr als sie diesen Spitznamen hörte, den ihr Vater für sie benutzte. Er hatte ihren Namen, Charlotte
Bronson, zu Ehren seines Lieblingsschauspielers Charles Bronson ausgesucht. »Charlotte«, korrigierte sie Roman.
»Okay, Charlotte, du ziehst mich einfach an. Das hast du schon immer getan. Und wenn ich das zugeben kann, dann kannst du das auch.«
»Was ändert das, was auch immer zuzugeben ich bereit bin? Man kriegt im Leben nicht immer, was man sich wünscht.« Weiß Gott war ihr das selten gelungen.
»Aber wenn du es irgendwann versuchst, bekommst du vielleicht, was du brauchst.« Er lehnte sich mit einer Schulter an die Wand und grinste.
»Ich bin beeindruckt. Du kennst die Rolling Stones.« Sie applaudierte affektiert.
»Mehr als das. Ich weiß ihre Worte auf das Leben anzuwenden.« Er stieß sich von der Wand ab und richtete sich zu voller Größe auf. »Merk dir meine Worte, Charlotte. Wir werden uns noch mal verabreden. « Er ging den langen Korridor hinunter, drehte sich dann aber um. »Und auf Grund deiner und meiner Reaktion werden wir wahrscheinlich noch eine ganze Menge mehr zusammen machen.« Seine Stimme war erfüllt von Gewissheit und Versprechen.
»Okay, klar, Roman. Wir werden uns treffen, geht in Ordnung.«
Bei diesen Worten riss er weit die Augen auf.
»An dem Tag, an dem du dich entscheidest, hier zu bleiben.«
Und weil das niemals geschehen würde, dachte Charlotte, würde es auch nicht zu dieser Verabredung kommen. Er stellte überhaupt keine Bedrohung für sie dar. Jawohl, wunderbar.
»Je mehr du mich herausforderst, desto entschlossener
bin ich.« Er lachte und glaubte offenbar nicht, dass sie meinte, was sie sagte.
Es war ihm durchaus nicht klar, dass sie es todernst meinte.
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