Der letzte Kuss
würde? Er schüttelte den Kopf. Beide Möglichkeiten sprachen ihn nicht an.
Er hatte miterlebt, wie es seiner Mutter nach dem Tode ihres Mannes ergangen war, die Trauer, den Rückzug in sich selbst, und dann die kleinen Schritte zurück ins wirkliche Leben. Aber sie war nie wieder dieselbe geworden wie zu Zeiten seines Vaters, und sie hatte auch nie versucht, sich neu zu definieren.
Nun, das war ihre eigene Entscheidung, wurde ihm jetzt klar. Genauso, wie es seine Entscheidung gewesen war, davonzugehen und sich nicht nur von seiner Heimatstadt, sondern von seiner Familie zu distanzieren – und von dem Schmerz, den er jedes Mal in den Augen seiner Mutter sah, wenn er zuhause war. Besonders am Anfang.
In diesem Moment wurde Roman bewusst, dass er vor emotionalen Bindungen davongelaufen war – genauso wie Charlotte vor ihm.
Sie hatte vor demselben Schmerz Angst, den sie, während sie heranwuchs, Tag für Tag bei ihrer Mutter gesehen hatte.
Doch nach ihrer Liebesnacht wusste er, dass es manchmal im Leben keine Alternative gab. Sie beide gehörten einfach zusammen. Nicht nur, weil er sie begehrte, sondern weil er ihr etwas geben wollte, das sie in ihrem bisherigen Leben vermisst hatte: Familie und Liebe. Er wusste allerdings noch nicht, wie er das erreichen und gleichzeitig die Freiheit sich erhalten konnte, die er für seinen Job und sein Leben brauchte.
Er hatte einen weiten Weg vor sich – bis er in der Lage wäre, sich selbst und ihr zu beweisen, dass sein Lebensstil ihnen beiden gefallen konnte. Dass ihr beider Leben nicht eine Wiederholung der Fehler ihrer Eltern sein musste, sondern eines, das sie sich ganz allein gestalten würden.
Und das bedeutete Verpflichtung, erkannte er jetzt. Nicht nur die Verpflichtung, die er seiner Familie gegenüber eingegangen war, sondern eine Bindung, die er mit dieser Frau eingehen wollte.
Er blickte in ihre sanften Augen, und etwas in ihm schmolz dahin. »Ist es das, was du dir wünscht, ›glücklich und zufrieden bis ans Lebensende?‹«, fragte er.
»Touché.«
Er streichelte mit einem Finger über ihre Wange. Arme Charlotte. Sie hatte keine Ahnung, dass er für sie beide bereits einen Entschluss gefasst hatte. Er wusste, was er wollte – sie. Und jetzt war er im Begriff, ihre Abwehrkräfte im Sturm lahm zu legen, und sie hatte keine Ahnung davon. »Mir ist aufgefallen, dass du vorhin das Thema gewechselt hast. Ich wollte über ›meine‹ Frauen sprechen.«
Sie errötete. »Ich aber nicht.«
»Also noch einmal, du musst nicht reden. Aber du wirst mir zuhören.« Mit einer lässigen Bewegung hatte er sie auf den Rücken gelegt und sich rittlings auf ihre Hüften gesetzt.
Sie blickte unwillig zu ihm hoch. »Das ist unfair, und außerdem hast du vergessen, mir etwas zu essen zu bestellen«, sagte sie.
»Bring du dieses Gespräch mit mir zu einem Ende, dann besorge ich dir alle Kekse, die du aufessen kannst und noch mehr.« Er bewegte seine Hüften gegen ihre, absichtlich erregend und leidenschaftlich.
»Das ist Bestechung.« Aber ihre Augen wurden unstet und bewiesen ihm, dass seine erotischen Neckereien sie verführten. Da entschloss sich ihr Magen, laut zu knurren und somit die Stimmung zu zerstören. Sie grinste dümmlich. »Ich schätze, ich habe keine andere Wahl, als zuzuhören, wenn ich etwas zu essen bekommen will.«
»Da hast du Recht.« Aber er hatte nichts gegen erotische Nötigung, um seinen Willen zu bekommen. Er verlagerte sein Gewicht, sodass er sie nicht erdrückte, aber ihre weichen Formen und ihre zarte Haut spüren konnte. Verdammt, sie fühlte sich so gut an. »Lass mich einfach ausreden«, sagte er. Er wollte nicht abgelenkt werden. Nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand. »Erstens bin ich so vielbeschäftigt gewesen, dass für Frauen kaum Platz war – ob du es glaubst oder nicht. Ich habe dir versprochen, dich niemals anzulügen. Zweitens kann es sein, dass ich bisher nie richtig interessiert war. Aber ich bin es verdammt noch mal jetzt.«
Offenbar hatte er mit diesem Eingeständnis nicht nur sich selbst, sondern auch sie schockiert, denn plötzlich trat Stille ein.
Etwas wie Angst schimmerte in ihren Augen. »Du sagtest, du würdest niemals lügen.«
»Diesmal sollte ich wohl wirklich beleidigt sein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich sage nicht, dass du ein Lügner bist.«
»Was dann?«
»Mach aus dem hier« – sie zeigte dabei auf ihre nackten Körper – »nicht mehr, als da wirklich ist.«
»Oh, und was ist es
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