Der letzte Liebesdienst
Finger, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wusste, dass sie damals vor ihren Gefühlen für Fiona weggelaufen war, Elisabeth war ein sicherer Hafen, weil sie nicht von Liebe sprach und auch nicht von Lara verlangte, dass sie es tat. Für Elisabeth waren die Dinge klar und einfach.
In der Tat hatte Lara in den letzten Wochen gedacht, für sie wären sie es endlich auch wieder. Sie und Elisabeth lebten praktisch zusammen, arbeiteten zusammen, alles war sehr angenehm. Elisabeth war eine wunderbare Frau, sie kümmerte sich auf eine distanzierte Art um Lara, die Lara gefiel, die ihr Freiraum für ihre eigene Distanz gab. Sie hatte wirklich geglaubt, dieses Gefühlschaos hinter sich gelassen zu haben.
Und dann diese Begegnung heute. Obwohl Koblenz so nah an ihrem alten Wohnort war, dass sie damit hätte rechnen müssen, hatte sie sich hier sicher gefühlt. Dass Fiona herkommen würde, ins Theater . . . das war ihr nie in den Sinn gekommen. Sie war wohl sehr naiv gewesen. Sie hatte alles, was mit Fiona zu tun hatte, einfach ausgeblendet.
Fiona, das war die Verbindung zu ihrem alten Leben, zu Maja. Mit Elisabeth hatte sie ein neues Leben gefunden. Ein Leben, das sie nicht belastete und nichts von ihr verlangte als freundlich zu lächeln und sich wohl zu fühlen.
Es war ideal, und doch hatte sie in Fionas Augen geschaut und den Sog gespürt, sich hineinziehen zu lassen, in ihre Arme zu sinken. Alle Erinnerungen waren zurückgekehrt. Ihre Spaziergänge im Wald, Amors tapsige Versuche, wie ein wohlerzogener Hund auszusehen, wie sie über seine Begriffsstutzigkeit gelacht hatten, gemeinsam, Fiona und sie.
Eigentlich war Maja die Hundemutter gewesen, sie hatte sich um die Tiere gekümmert, Lara hatte sie nur als Erbschaft von Maja übernommen. Sie hatte sich Maja verpflichtet gefühlt.
Fiona hingegen hatte nichts von irgendjemand geerbt, sie hatte sich Luna angeschafft, weil sie unbedingt einen Hund haben wollte. Es war ihr eigenes Anliegen, sich um Luna zu kümmern. Sie hätte den Hund nie im Leben jemand anderem überlassen.
Es war so beruhigend gewesen, dass Fiona so viel von Hunden verstand. Sicherlich, Lara hätte Daniel die Tiere einfach überlassen können, er hätte sich gefreut, aber das wollte sie nicht, da war die Verpflichtung Maja gegenüber, von der sie sich nicht lösen konnte. Und dann waren die Tiere auch immer wieder tröstlich gewesen. Sie hatten Lara das Alleinsein nicht so sehr spüren lassen. Sie hatte sich mit ihnen in einen Kokon eingesponnen und gedacht, sie brauche niemand sonst.
Was wollte Fiona bloß mit dieser Frau? Lara spürte, dass so etwas wie Wut in ihr aufstieg. Diese betrunkene Frau hatte an Fionas Arm gehangen wie ein Stück Blei, wie ein Mühlstein an ihrem Hals. Hatte Fiona das nötig?
Under Attack! sang die Darstellerin der Sophie auf der Bühne gerade, und genauso fühlte Lara sich. Unter Beschuss von allen Seiten. Für einen Moment hatte sie den Impuls verspürt, die Frau an Fionas Seite wegstoßen zu wollen, sich selbst bei Fiona einzuhaken und damit zu demonstrieren: Diese Frau gehört mir.
Lara lachte über sich selbst und schüttelte den Kopf. Wie albern. Fiona hatte ihr noch nie gehört, und das wollte sie auch gar nicht.
Elisabeth beugte sich zu ihr. »Es freut mich, dass dir das Musical gefällt«, flüsterte sie leise. »Du lachst wieder. Eben in der Pause warst du furchtbar ernst.«
In diesem Moment begann der Song S.O.S. auf der Bühne, und Lara hätte am liebsten auch diese drei Buchstaben ausgesendet. Sie fühlte sich wie auf einem sinkenden Schiff.
Elisabeth dachte, das Musical heiterte sie auf, und dabei passten die Lieder gerade deshalb so gut zu Laras Stimmung, weil sie so verzweifelt waren. Im Musical ging diese Verzweiflung jedoch vorbei, das Happy End war garantiert. Im Leben war das alles nicht so einfach.
Lara konnte sich kein Happy End vorstellen, das alle glücklich zurückließ. Insbesondere für sich selbst sah sie kaum einen Ausweg.
Und was war eigentlich mit dieser Meret? Wechselte Fiona die Freundinnen wie die Hemden?
Nein, das hatte keinen Sinn. Ihre Gefühle für Fiona waren nur eine Reminiszenz an ihre Gefühle für Maja gewesen, weiter nichts.
Lara schaute nach rechts, wo Elisabeth saß. Wie ein Fels in der Brandung. Elisabeth rief keine Gefühle in ihr hervor, die Lara an Maja erinnerten. Mit ihr war es völlig anders. Sie hatten jahrelang zusammengearbeitet, kannten sich gut, arbeitstechnisch, und nun waren sie auch noch
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