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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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darüber hingefahren wäre. Hier und da erhoben sich dunkelgrüne Stellen inmitten der Verödung, als wollten sie die künftige Fruchtbarkeit des mit Menschenblut getränkten Bodens verkündigen.
    Die ganze Landschaft, welche bei günstiger Beleuchtung und Temperatur so lieblich erschien, glich jetzt einem Bilde des Lebens, wo die Gegenstände in ihren grellsten, aber treuen Farben hervortreten, doch ohne durch irgendeinen Schatten gemildert zu werden.
    Wenn aber die vereinzelten, versengten Grashalme sich vor den darüber hinstreichenden Windstößen nur furchtsam erheben konnten, so traten dagegen die kühnen Felsenberge in ihrer Nacktheit umso deutlicher hervor, und vergeblich suchte das Auge einen Ruhepunkt, indem es die unbegrenzte Leere des Himmels, der durch trübe, dahintreibende Nebelzüge dem Blicke verschlossen war, zu durchdringen suchte.
    Der Wind blies ungleich: Bald strich er dicht über dem Boden hin, als wollte er sein dumpfes Stöhnen in das kalte Ohr der Toten flüstern, bald erhob er sich in ein schrilles, klägliches Pfeifen und fuhr in die Wälder mit einem Ungestüm, welches die Luft mit abgerissenen Blättern und Zweigen erfüllte. Mitten in diesem unnatürlichen Regenschauer kämpften einige hungrige Raben mit dem Sturm, waren aber nicht sobald über das grüne Wäldermeer, das unter ihnen flutete, hinweg, als sie aufs Neue zu der willkommenen scheußlichen Mahlzeit niederschossen, die dort ihrer wartete.
    Mit einem Wort, es war eine Szene wilder Verödung; und es schien, als hätte der unerbittliche Arm des Todes alle ergriffen, die sich in seine Nähe wagten. Doch dieser Bann war vorüber: Und zum ersten Male, nachdem die Urheber jener Gräueltaten, die den Schauplatz hatten entweihen helfen, verschwunden waren, wagten es menschliche Wesen, dem Orte zu nahen.
    An dem bereits erwähnten Tage, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, sah man fünf Männer aus dem Waldpfade, der nach dem Hudson führt, hervortreten und den zerstörten Festungswerken zuschreiten. Ihre ersten Schritte waren langsam und vorsichtig, als ob sie nur widerstrebend in den Bereich dieses Ortes träten, oder die Wiederholung seiner Schreckensszenen fürchteten. Die leichte Gestalt eines Jünglings schritt den anderen voran mit der Vorsicht und Gewandtheit eines Eingeborenen, stieg auf jeden kleinen Hügel, um zu spähen, und zeigte durch Gebärden seinen Begleitern den Weg, welchen er für den sichersten hielt. Auch die ihm Folgenden ließen es nicht an jener Vorsicht und Wachsamkeit fehlen, die bei einem Kriege in den Wäldern unerlässlich ist. Einer unter ihnen, ebenfalls ein Indianer, hielt sich etwas beiseite, indem er seine Augen, gewohnt, die nahende Gefahr an dem leisesten Zeichen zu erkennen, unverwandt auf den Saum der Wälder heftete: Die drei anderen waren Weiße, aber in einem Anzug, der nach Stoff und Farbe für ihr gefahrvolles Unternehmen berechnet war – einem sich zurückziehenden Heere in der Wildnis auf dem Fuße zu folgen.
    Die Eindrücke der schrecklichen Szenen, die sich mit jedem Schritte auf ihrem Wege nach dem See den Augen der Wanderer darboten, waren so verschieden als ihre Charaktere. Der Jüngling warf, leichten Schrittes über die Ebene wandelnd, ernste, aber verstohlene Blicke auf die verstümmelten Schlachtopfer, ängstlich, die Gefühle, die sich ihm aufdrangen, zu verbergen, und doch zu unerfahren, um ihrem mächtigen Einflusse sich ganz entziehen zu können. Sein roter Gefährte dagegen war weit über eine solche Schwäche erhaben. Festen Schrittes und mit ruhiger Miene ging er durch die Gruppen von Leichnamen hin, sodass man wohl erkannte, lange Gewohnheit habe ihn mit dergleichen Szenen vertraut gemacht. Selbst die Gefühle, welche dieser Anblick in den Gemütern der Weißen erregte, waren verschiedener Art, doch herrschte bei ihnen allen der Kummer vor. Der eine, obwohl jetzt als Weidmann verkleidet, verriet durch seine grauen Haare, die gefurchte Stirne und seine kriegerische Haltung einen Mann, der an Szenen des Krieges schon lange gewohnt war; er schämte sich aber gleichwohl nicht, laut zu seufzen, wenn ein ungewöhnlich schrecklicher Anblick ihm vor Augen trat. Der junge Mann an seiner Seite schauderte, schien aber aus zarter Schonung für seinen Begleiter solche Empfindungen zu unterdrücken. Unter ihnen allen sprach allein der Letzte, welcher gleichsam den Nachtrab bildete, seine Empfindungen ohne Scheu und Rückhalt laut aus. Mit Blicken und einem Spiel seiner Muskeln, die

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