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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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entsetzenvolle Schauspiel unter ihnen zu werfen.
    Das grausame Werk war noch nicht zu Ende. Auf allen Seiten flohen die Besiegten vor ihren erbarmungslosen Verfolgern, während die bewaffneten Kolonnen des allerchristlichsten Königs mit einer Gefühllosigkeit stehen blieben, die sich nicht erklären lässt und die auf den sonst so hohen Ruf ihres Anführers einen unauslöschlichen Flecken wirft. Das Schwert des Todes ruhte nicht eher, als bis die Raubgier der Wilden über ihren Blutdurst die Oberhand gewann. Endlich wurde das Gewinsel der Verwundeten und das Schlachtgeheul der Mörder allmählich schwächer, und die Schreckensrufe verstummten oder wurden von dem lauten, langen, durchdringenden Triumphgeschrei der Wilden übertönt.

18
Ja, so etwas:
Ein ehrenwerter Mörder, wenn ihr wollt; –
Tat nichts aus Hass, der Ehre wegen alles.
WILLIAM SHAKESPEARE
    Die blutige, barbarische Szene, die wir im vorigen Kapitel mehr nur flüchtig erwähnt als im Einzelnen geschildert haben, führt in der Geschichte der Kolonien den wohlverdienten Namen des »Blutbads von William Henry«. Der Ruf des französischen Heerführers hatte schon durch einen früheren Vorgang ganz ähnlicher Art gelitten, und diesen neuen Flecken konnte selbst sein frühzeitiger, ruhmvoller Tod nicht völlig tilgen. Die Zeit hat ihn jetzt etwas verwischt, und Tausende, die erfahren haben, dass Montcalm auf den Ebenen von Abraham den Tod eines Helden starb, wissen vielleicht nicht, wie sehr es ihm an jenem moralischen Mute gebrach, ohne den es keine wahre Größe gibt. Seiten ließen sich schreiben, um an diesem allbekannten Beispiele die Mängel menschlicher Vortrefflichkeit zu zeigen – um darzutun, wie die Eigenschaften des Großmutes, seiner Höflichkeit und ritterlicher Tapferkeit vor dem erstarrenden Frosthauch der Selbstsucht dahinschwanden, und wie ein Mann, groß nach allen niederen Attributen des Charakters, zu Falle kommen kann, wenn es gilt, zu zeigen, wie hoch über der Politik die Forderungen des Sittengesetzes stehen. Aber diese Aufgabe würde die Grenzen unseres Werkes überschreiten; und da die Geschichte, gleich der Liebe, ihre Helden so gern mit einem Heiligenschein umgibt, so wird wohl die Nachwelt in Louis de Saint Veran nur den ritterlichen Verteidiger seines Vaterlandes erblicken und seine grausame Fühllosigkeit an den Ufern des Oswego und des Horican vergessen. Mit Bedauern über diese Schwäche unserer Schwestermuse treten wir aus ihrem geheiligten Gebiete zurück auf das Feld unseres eigenen bescheideneren Berufs.
    Der dritte Tag nach der Übergabe des Forts ging zu Ende; doch muss der Leser noch etwas an den Ufern des heiligen Sees verweilen. Als wir seine Gewässer zuletzt sahen, waren die Umgebungen der Festungswerke der Schauplatz der Gewalttat und des Aufruhrs; jetzt herrschte dort eine Totenstille. Die blutbefleckten Sieger waren abgezogen; und ihr Lager, das erst noch vom Jubelruf eines siegreichen Heeres ertönt hatte, war nun eine verlassene Hüttenstadt. Die Festung lag in rauchenden Trümmern: Verkohltes Sparrenwerk, Stücke zerrissenen Geschützes, zersprengtes Mauerwerk sah man in verworrener Unordnung auf den Erdwällen umher zerstreut.
    Ein grauenhafter Wechsel war selbst in der Witterung eingetreten. Die Sonne hatte ihre wärmenden Strahlen hinter einer undurchdringlichen Dunstmasse verborgen, und hunderte lebloser menschlicher Gestalten, welche die glühende Hitze des Augusts geschwärzt hatte, erstarrten von einem Winde, der mit der Strenge des Novemberfrostes daherstürmte. Die wogenden Nebelwolken, welche über die Berge nach Norden zogen, wurden jetzt mit der Wut eines Orkans in einem endlosen, schwarzen Streifen nach Süden getrieben. Der ruhige Spiegel des Horican war dahin: Statt seiner peitschten grüne, ungestüme Fluten die Ufer, als ob sie alle Unreinheit unwillig an den entweihten Strand zurückwerfen wollten. Doch immer noch behielt das weite Becken einen Teil seiner Klarheit, spiegelte aber nur das düstere Gewölk zurück, das den Himmel über ihm verdeckte. Die liebliche, feuchte Atmosphäre, welche sonst der Landschaft Reiz verlieh und den Charakter der Wildheit und Strenge milderte, war verschwunden, und der Nordwind brauste so scharf und ungestüm über die Wasserfläche, dass weder dem Auge noch der Einbildungskraft etwas blieb, mit dem sie sich gerne hätten beschäftigen können. Das ungestüme Element hatte das Grün der Ebene so verdorren lassen, als wenn ein verzehrender Blitzstrahl

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