Der letzte Regent: Roman (German Edition)
und wurde auch nicht langsamer, konzentrierte sich ganz darauf, so schnell wie möglich zu laufen. Etwa eine halbe Minute später erreichte er die Stelle, an der die Vegetation aufhörte und sandiger, von kleinen Steinen durchsetzter Boden begann. Vor ihm ragte der blaue Stein auf; die Säule, viele Hundert Meter hoch, schien sich weit oben in den Himmel zu bohren. Das Kanonenboot flog direkt darüber hinweg, glitt langsam und mit brummenden Gravitatoren zum Waldrand auf der linken Seite.
»He!«, rief jemand. »He, wir sind hier, hier unten!«
Dort stand er, zwischen den Grasbüscheln, nur wenige Meter vor der vegetationsfreien Zone, glotzte nach oben, winkte mit beiden Armen und sprang, als könnte er dem Kanonenboot damit näher kommen: Jarqez Vandover.
Laurania machte einen Umweg. Gefolgt von wellenförmigen Bewegungen im Boden, die zweifellos von Verschlingern stammten, sprintete sie zu Vandover, packte einen Arm und zerrte ihn mit sich.
»Wir sind hier! Verdammt, wir sind her unten!« Vandovers Stimme überschlug sich fast.
Hinter ihm kam überraschend flink ein kleinerer Verschlinger aus dem Boden und streckte dem Schreienden und der Frau, die ihn in Richtung der blauen Säule zog, grauweiße Arme entgegen. Doch die Tastorgane des amorphen Wesens verloren ihr Ziel, als Laurania und Vandover in den unbewachsenen, sandigen Bereich gelangten. Sie schwangen von einer Seite zur anderen, nahmen offenbar nichts mehr wahr und zogen sich langsam wieder in den Boden zurück.
Mit zitternden Beinen und schwer atmend lehnte Xavius an der Säule und blickte dorthin, wo der Raptor im Magen des Verschlingers verschwunden war. Ein Teil des schleimpilzartigen Geschöpfes ragte noch aus dem Boden, und zuckende Bewegungen zeichneten sich darin ab.
Gierig saugte er sich frische, kühle Luft in die Lunge.
»Du hättest dir die Mühe sparen sollen, Laura«, sagte Pribylla. Sie stand vornübergebeugt da, die Hände an den Beinen. »Es wäre besser gewesen, wenn der Verschlinger ihn erwischt hätte!«
»Warum haben sie uns nicht gesehen?« Vandover stand da und schaute dem Kanonenboot nach, wie es auf der anderen Seite der Lichtung über dem Wald verschwand. »Sie hätten uns sehen müssen!«
»Vermutlich waren die Sensoren auf die Signatur eines Springers justiert«, sagte Xavius. Er kam allmählich wieder zu Atem. »Sie suchen das Wrack.«
Pribylla lächelte grimmig. »Doppeltes Glück für Sie, Konsul. Wenn das Boot wirklich gekommen wäre, hätte ich Sie erschossen.«
Das Brummen der Gravitatoren verschwand in der Nacht, und in der Stille, die sich auf der Lichtung ausbreitete, hörte Xavius ein leises Knistern. Er drehte sich zur blauen Säule um und beobachtete, wie nur wenige Millimeter große Insektoiden aus winzigen Öffnungen im Stein krochen, kleine transparente Flügel entfalteten und fortschwirrten.
»Ein Nest«, sagte er. »Ein riesiges Nest, entstanden über Jahrhunderte und Jahrtausende. Geschaffen von Insektenschwärmen.«
»Von Schwärmen innerhalb eines größeren Schwarms.« Laurania blickte an der Säule hoch, reckte dabei den Hals, und Xavius bemerkte, dass sie nicht mehr den Symbionten trug, der wie ein dicker Wurm an ihrem Halsansatz geklebt hatte. Vermutlich war er ihr nach der Verhaftung abgenommen worden; das Endurium ließ keine biologischen Erweiterungen zu. »Dies sind die Knoten des globalen biologischen Netzwerks von Bluestone.«
»Knoten hin, Knoten her, wir müssen weiter«, sagte Pribylla. Sie hatte ihren Navigator hervorgeholt, sah aufs Display und orientierte sich, steckte das kleine Gerät dann wieder ein. »Uns bleibt weniger als eine Stunde für die restlichen drei Kilometer. Mit etwas Glück sollten wir es schaffen.«
»Und dann?«, fragte Xavius.
»Dann sehen wir weiter, Chronist.«
»Hört ihr das?« Laurania lauschte.
Xavius vernahm ein langsam lauter werdendes Brummen.
Pribylla fluchte. »Das Kanonenboot kehrt zurück, und diesmal scheint es dicht über dem Wald zu fliegen.« Sie zog den Pulser. »Sie laufen als Erster, Vandover. Falls Sie wieder eine Tanznummer einlegen, brenne ich Ihnen ein Loch in den Rücken. Los!«
Jarqez Vandover lief, gefolgt von Pribylla und Laurania. Xavius holte tief Luft und begann dann ebenfalls mit einem Spurt über die andere Hälfte der Lichtung.
Sie hatten den Waldrand erreicht, verfolgt von mehreren Verschlingern, die den Boden hinter ihnen aufwarfen, als das Kanonenboot mit heulenden Gravitatoren im Sturzflug über den Waldrand kam.
Weitere Kostenlose Bücher