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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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den Menschen. Für den Rest bin ich zuständig.«
    »Den Rest?«
    »Wesen, die mächtiger sind als Diebe und Ketzer. Solche wie ich und jene, die ich repräsentiere.«
    »Sie sprechen vom Consilium, dem Rat der Schatten.«
    »Sie sind gut informiert, Vater«, entgegnete de Maester, und in seiner Stimme war wieder die markante Schärfe zu vernehmen.
    »Was wir kennen, müssen wir nicht fürchten. Ich wollte mehr über den Mann wissen, dessen Schatten ich bewache. Über ihn und seine Wunder.«
    »Und Sie waren nie versucht, sich selbst einmal an dieser Kunst zu versuchen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich die Größe besessen hätte, sie weise einzusetzen.«
    »Ihr Heiliger war einer der ersten Christen, die sich in die Schatten hineinwagten. Uns Schattensprechern gilt er als Ahnherr unserer Kunst. Und unter Ihrer Kirche, mein guter Vater Rimbaud, verbirgt sich mehr als nur der Schatten Mansuys.«
    »Mehr?«
    »Haben sie jemals von George Ripley gehört?«
    »Der Alchemist, der Gott trotzen wollte. Er war, wenn mich nicht alles täuscht, der Letzte der alten Schule der Schattenmagier. Wie hießen sie noch gleich?«
    »Sie nannten sich Schattenschnitzer und formten die Schatten nach den Regeln der alten Lehre der Chaldäer. Seit Mansuy aber gab es längst eine neue Strömung in der Schattenmagie, in der die Wissenden begannen, die Schatten zu beherrschen. Eine neue Schule, die am Ende die alte verdrängen sollte.«
    »Was aber hat das mit meiner Aufgabe zu tun?«
    »Als der Rat Ripley zur Strecke brachte, war es ihm noch nicht gelungen, Gott endgültig herauszufordern. Sein Plan aber war weit genug gediehen, dass nicht mehr viel fehlte. Er hatte etwas geschaffen, das das Ende der Menschheit bedeuten konnte: das Eidolon. Sollte es jemals in den Limbus, also in das Reich der Schatten, eindringen, beginnt das Ende allen Seins. Das aber könnte es nur auf einem Weg, und den versperrte der Schattenrat mithilfe mächtiger Magie und von fünf Siegeln.«
    »Sie wollen damit sagen, dass eines dieser Siegel …?«
    »Eines hat der Rat im Schatten Ihres Heiligen verborgen.«
    »Und dass Sie hier sind, bedeutet, dass das Eidolon frei ist?«
    »Nicht nur das. Auch Ripleys Schatten ist entkommen. Und es gibt jemanden, der seinen ketzerischen Plan weiterverfolgt …«
    »Dann verstehe ich, dass sie nicht wissen, ob wir es überleben werden.«
    Mit einem nachdenklichen Blick leerte Rimbaud seinen Kelch und fuhr dann fort: »Warum aber haben Sie nicht bloß Ihren Schatten geschickt, um die Reliquie zu bewachen? Warum sind Sie persönlich gekommen?«
    »Je näher mein Körper dem Schatten ist, desto mehr Kraft hat er. Und ich fürchte, er wird alle Kraft brauchen, die ihm zur Verfügung steht. Denn wer immer versuchen wird, das Siegel zu brechen, ist mächtig. Womöglich ist es gar Ripley selbst, das vermuten zumindest die einen. Die anderen glauben, es ist der Italiener, der Mann, der Ripley einst half, das Eidolon zu erschaffen … Wer auch immer es ist, ich werde alle Kraft brauchen, ihn aufzuhalten. Und ich habe keine Ahnung, ob das überhaupt ausreichen wird.«
    Rimbaud nickte nachdenklich. Dann schenkte er noch einmal nach. Schweigend stießen die beiden Männer an. De Maester schaute aus dem Fenster, empor zu den Sternen. Er ließ seinen Blick schweifen, bis er schließlich auf den Vorplatz fiel, wo sich der Schatten des Kirchenturms mit dem Kreuz darauf im Mondlicht abzeichnete.
    Schließlich schaute er über den Rand seines Kelches hinweg wieder den Pfarrer an.
    »Wissen Sie überhaupt, was Saint Murebod bedeutet, Vater?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Name des Ortes. Er ist ein Anagramm. Aus den Worten Ombre du Saint . Der Schatten des Heiligen.«
    Rimbaud nahm einen tiefen Schluck und lächelte ihn an. »Schön, dass ich das auch noch einmal erfahre.«
    De Maester nickte. »Ja, ich dachte auch, dass es dafür an der Zeit wäre.«
    Sie stießen ein letztes Mal an und leerten dann ihre Kelche. Rimbaud schien darüber nachzudenken, ob er noch eine zweite Flasche Altarwein aufmachen sollte. Doch eine Geste seines Gastes ließ ihn innehalten. De Maester hob die Hand und bedeutete dem Priester, still zu sein. Er spürte es. Es begann. Ein fremder Schatten war in der Kirche. Ein Schatten, der sich weder um sie noch ihre Bannzeichen scherte …
    De Maester nickte Rimbaud zu, atmete durch und lehnte sich schließlich in seinem Sessel zurück. »Verschließen Sie diesen Raum, Vater. Von innen.«
    Rimbaud tat, wie geheißen. Und während er

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