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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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der Engel ihn nicht. Dort unten, am Ende der Stufen, erhob sich eine Wand aus undurchdringlichem Dunkel, so massiv und schwarz, dass nicht einmal die Ahnung eines Gedankens sie durchdrang.
    Neben der Hütte sah Jonas die Schattenhunde aus dem Dunkel wachsen, deren Schwarz sich leicht gegen das der gewöhnlichen Schatten abhob. Schemen inmitten von Schemen, deren finsteres Fell sich in das Dunkel sträubte. Er sah sie umherstreunen und musste an den alten Argos denken. Und auch an seinen Freund Norman. Nachdenklich schlug Jonas die Augen nieder und wusste dabei, dass er unter den Menschen nie unbeschwert würde leben können. Es war seine Bestimmung, im Dunkel zu bleiben. Von einem Moment auf den anderen war alle Fröhlichkeit von ihm gewichen.
    Ebenso wie Malachias spürte auch Jonas’ Schatten die Traurigkeit seines Herrn. Und er begann zu zweifeln. Daran, ob es recht gewesen war, den Jungen in die Welt der Schatten mitzunehmen und ihn so um seine Kindheit zu betrügen. Die Schwermut seines kindlichen Herrn war die eines alten Mannes und hätte eher zu Malachias gepasst. Vielleicht war es zu früh gewesen. Vielleicht hätte er Jonas all die großen Geheimnisse erst im rechten Alter offenbaren sollen. Wenn der Junge bereits ein eigenes Leben und eine Wahl gehabt hätte. So aber war Jonas Mandelbrodt ein Teil der Schatten geworden, ohne dass er jemals hatte Mensch werden können.
     
    Hätte ich nur ahnen können, was ich später wusste, ich hätte meinen Herrn verlassen. Ich wäre gegangen und wäre lieber für den Rest meines Daseins verflucht und ein herrenloser Schatten in einer unwirtlichen Welt gewesen als das, was ich schlussendlich wurde. Wäre ich mir nicht selbst verborgen gewesen, ich hätte mich von seinen Füßen gerissen, wäre davongeglitten und hätte mich bis ans Ende aller Zeiten vor diesem Jungen verborgen. Doch ich ahnte nichts, gefangen im Hier und Jetzt am Fuße meines Herrn. Und auch wenn seine Einsamkeit mich tief in meinem eigenen Dunkel schmerzte, so war sie doch nichts verglichen mit dem Leid, das ich noch über ihn bringen würde.
     
    Kurz darauf glitt der Schatten des Engels aus der Hütte, legte sich über Jonas Mandelbrodt und vertrieb seine trüben Gedanken mit tonlosem Flügelrauschen. Malachias lächelte. Der Wächter verzichtete darauf, in ihn zu fahren, als er mit seiner erhabenen Stimme die Schatten vibrieren ließ: »Ich werde Ambrì verlassen, um mich mit jemandem zu treffen, Jonas.«
    »Wer ist es, den Ihr treffen werdet? Geht es um die Siegel? Um Ripley, den Rat und das Eidolon?«
    Der Junge hatte sich angewöhnt, den Engel in antiquiert ehrfürchtiger Manier anzusprechen, wie es einem Geschöpf, das so alt war wie die Welt, seines Erachtens gebührte.
    Der Engel zögerte. Die Krähen verharrten in der Luft, die Hunde hielten inne, und ihre Blicke richteten sich auf den, aus dem sie stammten, als dieser antwortete: »Ich werde den Ältesten des Rates treffen. Er sieht das Gleichgewicht gefährdet und drängt darauf, meine Rolle in diesen Dingen zu verstehen. Er weiß, dass ich dich hier verstecke, und ahnt wohl auch, dass du nicht mehr lange allein sein wirst.«
    Die Worte des Wächters klangen in Jonas nach. »Wie meint Ihr das, ich werde hier nicht mehr lange allein sein?«
    »Das Mädchen. Es wird auch hierherkommen.«
    »Das Mädchen ohne Schatten? Carmen Maria Dolores Hidalgo?«
    Jonas frohlockte innerlich. Endlich würde er Gelegenheit bekommen, sie kennenzulernen. Maria, die wie er dazu verdammt war, ihres Schattens wegen ein Leben im Abseits zu führen. Sein Herz schlug schneller, als er an sie dachte.
    »Ebenjene. Sie wird kommen. Zunächst aber sind andere Dinge wichtiger. Ich möchte, dass du mich begleitest, wenn ich den Ältesten treffe.«
    »Aber warum? Kann ich nicht einfach hier auf sie warten …«
    »Nein. Es ist wichtig, dass du begreifst, was vor sich geht. Dass du die Menschen, die Schatten, den Rat verstehen lernst. Nur so wirst du am Ende tun können, wofür du bestimmt bist. Maria wird dich hier erwarten, wenn wir zurückkehren. Vertrau mir.«
    Jonas nickte mürrisch. Das war die Antwort, die er stets bekam, wenn er mehr über die Pläne der Schatten und sein eigenes Schicksal zu erfahren versuchte. Mit hängendem Kopf folgte er dem Wächter in die Hütte. Malachias schaute ihnen schweigend hinterher.
    Im Inneren bedeutete der Schatten des Engels Jonas nun, sich in den Sessel am Fenster zu setzen.
    »Es ist an der Zeit, dass du deinen Körper

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