Der letzte Single fangt den Mann
gegangen, weshalb es uns nicht schwergefallen war, um Viertel vor fünf aufzustehen. (Wir waren auch nur ein bisschen schadenfroh.)
Da saßen wir also am frühen Morgen in der Flughafenhölle gegeneinandergesunken, Pappbecher mit wässrigem Kaffee in der Hand und unaufgeschlagene Zeitungen auf dem Schoß, als eine schrille Stimme kreischte.
» Robbie!«
Wir drehten alle gleichzeitig die Köpfe. Die Stimme gehörte Antonia, der überirdischen italienischen Schönheit, mit der Robert an jenem Abend im Engineer Schluss gemacht hatte.
» Antonia!«, sagte er überrascht.
Er ging zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wangen. Sie trug– sorry, aber das ist erwähnenswert, weil niemand so gut aussehen sollte um sechs Uhr morgens– weiße Jeans, in der ihre Beine endlos wirkten, ein dünnes weißes Häkeltop und eine weiße ärmellose Fellweste sowie eine riesige weißgerahmte Sonnenbrille, die ihre langen, glänzenden Haare zurückhielt. Zusammen mit ihrer braunen Haut und der Louis-Vuitton-Handtasche unter ihrem Arm war der Gesamteindruck fraglos kitschig, aber an so einer schönen Frau wirkte es. Sophie und ich wechselten einen finsteren Blick: Wir sahen dagegen aus wie Vogelscheuchen.
» Wer zum Henker ist das?«, fragte Luke.
» Roberts Ex«, sagte ich.
» Teufel auch«, sagte er.
» Soll ich dir eine runterhauen?«, fragte Sophie.
Er musste lachen und nahm ihre Hand, um seine Lippen darauf zu drücken.
Robert und Antonia standen zu weit entfernt, als dass wir etwas verstehen konnten, aber nach ein, zwei Minuten freundlichem Smalltalk wurde die Unterhaltung ernster. Antonia schien eine kleine Ansprache zu halten. Sie nahm die Sonnenbrille vom Kopf und setzte sie auf, dann verschränkte sie abwechselnd die Arme und fuchtelte wild damit herum.
Von uns tat keiner mehr so, als würde er vor sich hin dösen. Wir waren zu sehr gebannt von Robert und Antonia.
» Was für ein schönes Paar«, murmelte ich.
» Ich dachte, du stehst nicht auf ihn«, meinte Sophie.
Dann begann Robert zu reden, und Antonia hörte aufmerksam zu. Im Laufe der nächsten Minute nahm sie die Sonnenbrille ab, strich ihre Haare glatt und lächelte sogar. Dann– die Überraschung schlechthin– umarmten sie sich.
Und nach einer weiteren Minute, einer zweiten Umarmung und einem Kuss auf die Wange wandte Robert sich um und kehrte zu uns zurück.
» Seid ihr so weit?«, sagte er, als wäre nichts geschehen.
» Scheiße, was war das denn?«, sagte Luke.
» Das«, erwiderte er und schnappte sich seine Reisetasche, » war Antonia.«
» Ich meinte, was war da los?«, fragte Luke.
» Nichts«, antwortete er und ging los in Richtung Gate. » Unser Flug wurde gerade aufgerufen. Kommt schon.«
Die restliche Reise verlief ohne weitere Zwischenfälle. Wir schliefen alle während des Flugs und wachten im sonnigen Montpellier auf, und wenn es eine bessere Möglichkeit gibt, einen Novembersamstag von vorne zu beginnen, als durch die französische Provinz in einem Mietwagen, der– maximal– sechzig km/h fährt, in Richtung Autignac zu düsen, dann weiß ich es auch nicht.
Ich platze vor Neugier, worüber Robert und Antonia vorhin gesprochen haben. Ist das unhöflich von mir?
Es ist erst zehn Uhr, und das Wochenende in seiner ganzen französischen Herrlichkeit liegt vor uns. Probleme im Job? Was für Probleme?
Dave (Dave!) landet erst mittags, darum habe ich meine Aufregung noch einigermaßen unter Kontrolle. Ist es unreif, sich dermaßen zu verknallen? Scheiß drauf, es ist eben passiert.
Ich habe Dave seit dem Abend vor zwei Wochen, als das Speed Dating/die Einweihungsfeier stattfand, nicht mehr gesehen, aber seine Gruppen-E-Mails– kurz, sarkastisch, amüsant– haben mich nur noch verknallter gemacht. Ich habe ihn auf Facebook verfolgt, ihn gegoogelt und vor allem Robert über ihn ausgefragt. Dave scheint tatsächlich perfekt zu sein. Sportlich, macht irgendetwas Ehrenamtliches, arbeitet in der Finanzbranche, steht auf Musikfestivals, fährt mit seiner Mutter auf Safari nach Kenia zu ihrem Sechzigsten. Sie wissen schon: perfekt.
Lukes Schwester Bella und ihr Freund Ollie, JimmyJames und Sophies beste Freundin Vix nehmen auch den späteren Flug.
» Wir sind da!«, kräht Sophie, als wir von der Autobahn auf eine Landstraße, die an Weinbergen vorbeiführt, fahren.
Autignac ist eine kleine Gemeinde in der Region Languedoc-Roussillon. Meine Eltern haben sich vor drei Jahren dorthin zurückgezogen, aber sie sind dieses Wochenende nicht
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