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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Haufen. Das ist irgendwelches Söldnergesindel, das ursprünglich im Dienst der Scheichs stand, den Krieg aber inzwischen längst auf eigene Faust führt. Die Typen fühlen sich nämlich ebenso für dumm verkauft. Sie sind gewiss nicht alle schlecht, aber es gilt das ungeschriebene Gesetz, dass sie von Neuankömmlingen die Finger lassen sollen, auch wenn sie noch so sehr auf deren Ladung lauern. Alles klar?«
    »Nichts ist klar«, sagte Jerome verärgert.
    »Sie scheinen sich über einige Dinge hier zu wundern«, sagte Ruiz versöhnlich in einer Anwandlung von Friedfertigkeit.
    »Allerdings.«
    »Sie werden sich noch über einiges hier wundern, Major.«
    »Wir sind hierher gekommen, um bestimmte Dinge zu korrigieren«, fuhr Jerome unbeirrt fort. »Wenn sich die Sache nicht so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben, dann muss sich das doch ebenfalls korrigieren lassen. Die Navy wird doch sicher von zurückkehrenden Einsatzgruppen unterrichtet sein, dass …«
    »Entschuldigen Sie, Major Bannister«, unterbrach ihn Murchinson, »es ist nicht meine Art, mit der Tür ins Haus zu fallen, aber drüben auf den Bermudas sitzen inzwischen einige Leutchen, die auf die siebzig zugehen und immer noch auf ihre Rückkehr durch die Navy in einen gesicherten Lebensabend warten. Und sie sitzen dort drüben und warten dank einer riesigen Portion Glück und dank uns, die wir den lausigen Job haben, sie nach drüben zu verfrachten, sonst hätten sie ihren Lebensabend nämlich schon hinter sich, wie manch einer, dem wir nicht mehr helfen konnten, Major, und …« - er deutete nach Südosten in die Dunkelheit - »der dort draußen geblieben ist. Wir tragen nämlich buchstäblich unsere Haut zu Markte und sind so verseucht, dass wir Sie nicht länger mit unserer Gesellschaft belästigen möchten. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Entschuldigung«, murmelte Jerome. »Ich wusste nicht …«
    »Dafür können Sie nichts, Major«, sagte Ruiz, »ich kann es nur auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand, der keine Ahnung hat, hier den großen Macker spielt. Das haben wir nämlich schon zu oft erlebt.«
    »Und warum sind Sie nicht längst in die Zukunft zurückgekehrt?«, fragte Jerome. »Wenn Sie es so satt haben?«
    »Er will es tatsächlich genau wissen«, seufzte Murchinson.
    »Weil wir für dumm verkauft worden sind, Major«, sagte Ruiz barsch. »Es gibt keine Rückkehr in die Zukunft!«
    Steve war es, als spüre er eine eisige Hand am Herzen. Ein einziger Gedanke ballte sich hinter seiner Stirn, explodierte, als würde es ihm die Schläfen sprengen.
    Es ist alles aus!
    So muss einem Delinquenten zumute sein, wenn er die Gewehrmündung eines Erschießungskommandos auf sich gerichtet sieht, das Richtschwert des Exekutionsoffiziers hoch erhoben. Steve hielt sich am nassen Blech der Kühlerhaube fest. Das Wasser unter seiner Handfläche schien augenblicklich zu verdampfen.
    »Ich habe es geahnt«, flüsterte Jerome. Er war unglaublich gefasst, und doch klang es wie ein qualvolles Stöhnen.
    »Das geschah sicher nicht mit Absicht«, sagte Ruiz tröstlich, »aber irgendwas scheint ganz schön schief gelaufen zu sein.«
    »Kennen Sie den Vertrag von Miami zwischen Castro und Maximilian V.?«, fragte Murchinson lauernd.
    Jerome blickte ihn verständnislos an.
    Ruiz nickte bedeutungsvoll und sagte: »Sehen Sie?«
     
    Nachdem der Hubschrauber abgehoben und sich entfernt hatte, kroch Steve ins Zelt. Jerome übernahm die zweite Wache und kauerte zwischen den Bäumen, wo er sich ein trockenes Plätzchen gesucht hatte. Eine Weile später kam er ins Zelt um etwas zu holen. Steve stellte sich schlafend. Ihm war es, als ob er seinen Freund unterdrückt schluchzen hörte, doch er konnte sich getäuscht haben. Jerome kroch wieder hinaus und zog von außen den Reißverschluss zu.
    Steve fühlte sich wie gerädert, aber er konnte nicht einschlafen. Dann und wann fielen dicke Regentropfen aufs Zeltdach wie eine Hand voll reifer Pflaumen, wenn ein Windstoß ins Geäst fuhr. Er hatte das Gefühl, als läge die Luftsäule eines himmelhohen Kamins auf seiner Brust, lastete auf ihm wie Milliarden Millibar, ein Gebirge aus Zeit. Er wusste, dass unerreichbar über ihm ein Ausstieg ins Freie existierte, aber keine Möglichkeit, ihn je zu erreichen, dass alles, was er liebte und schätzte, jenseits dieses unermesslichen Korridors lag, der hinauf in die Zukunft führte.
    »Jesus Christus«, keuchte er, während die Furcht und die Last der Zeit ihm die Brust

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