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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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genannt und blieb dabei, nachdem ich gegangen war. Er schrieb mir mehrere Briefe. Die Briefe schmuggelte er nach draußen, wenn er Wasser holen ging. Er erzählte mir, dass er die Gruppe verlassen wollte. Ich sollte ihm Geld schicken, damit er sich ein Ticket für die Fähre kaufen konnte. Ich war völlig pleite, aber ich lieh mir das Geld von meinen Eltern und schickte es mit der Post. Er wollte sich mit mir an der Victoria Station treffen. Datum und Ankunftszeit schrieb er mir. Aber er kam nie dort an. Und ich habe nichts mehr von ihm gehört. Auch nicht von den anderen. Im ersten Jahr, als ich wieder in London war, habe ich überall nach Bruder Abraham gesucht, aber keine Spur von ihm gefunden. Als Max sich vor einigen Monaten mit mir in Verbindung setzte, fragte ich ihn, ob er Bruder Abraham oder die anderen gefunden hätte. Er sagte, er hätte nicht gesucht. Sie seien alle schon seit vielen Jahren verschwunden.«
    »Und er hat Ihnen verboten, darüber zu sprechen. Auch nicht mit Dan und mir.«
    Gabriel antwortete nicht. Er lag nur da, sah Kyle aus müden Augen an und atmete mühsam.
    »Sind Sie denn nie zur Polizei gegangen?«
    Gabriel schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, sind sie alle dabeigeblieben. Oder mit Katherine nach Amerika gegangen. Sie hatte ein großes Talent, Menschen zu überreden.«
    »Und wie würden Sie alle jetzt zwanzig Jahre später dazu stehen?«
    »Es interessiert mich nicht. Gehen Sie doch zur Polizei.«
    »Glauben Sie denn, die würden mir das alles glauben?«
    Bruder Gabriels Lächeln war so dünn, dass es fast gar nicht vorhanden war, aber es schimmerte ein klein wenig Triumph darin auf. »Abraham ist gegangen, weil … er sagte, er würde sich dort nicht mehr sicher fühlen. Es gab eine schlimme Auseinandersetzung. Einige von den Sieben versuchten, den Hof zu übernehmen. Nur Gehenna und Bellona hielten weiterhin zu Katherine. Die hatte versucht, etwas sehr Unangenehmes zu tun. Ich weiß nicht, was das war. Aber es genügte, um eine Revolte auszulösen. Abraham erzählte, kurz nach der Rebellion hätte es eine Art Sturm gegeben. So furchtbar, dass Menschen darin verloren gingen. Drei Kinder verschwanden. Sie wurden nie mehr gefunden. Gleiches passierte mit den Abtrünnigen, die versucht hatten, sie zu entmachten. Und alle Hunde verschwanden ebenfalls. Die Hühner. Alle weg. Aber in den Nachrichten wurde nicht darüber berichtet. Ich hab’s überprüft. Nirgendwo eine Meldung über einen Sturm in der Normandie. Aber Bruder Abraham berichtete, er habe gesehen, wie Menschen in die Luft stiegen. Nach oben, verstehen Sie? Einfach so. Und sie kamen nie wieder herunter.« Gabriel schluckte. »Ich dachte damals, er sei verrückt. Das redete ich mir ein. Er war einfach zu lange da draußen geblieben … Aber heute bin ich mir nicht mehr sicher. Außerdem schrieb er etwas über ›das Unheilige Schwein und den Regen der schwarzen Knochen‹. Das habe ich nie vergessen. Es passierte auf dem
Hof während dieses Sturms. Ich war immer der Meinung, dass die Gruppe deswegen nach Amerika ging. Weil Menschen, sogar Kinder … auf diesem Hof verschwunden sind. Seinen letzten Brief habe ich aufgehoben.«
    »Zeigen Sie ihn mir. Wo ist er?«
    »Ich habe ihn Max gegeben. Er hat ihn jetzt.«

Marylebone, London
23. Juni 2011, 23.45 Uhr
     
    Max ging nicht ans Telefon. Seit ihrer Landung in London hatte er sich nicht gemeldet. Es war fast schon Mitternacht, und London bestand aus Myriaden von Lichtern, die hinter den schmierigen Scheiben des Taxis aufblitzten, als es durch Marylebone rollte. Das Rütteln des Autos machte Kyle benommen, und er nickte ein. Er riss sich wieder aus dem Schlaf. Versuchte erneut, Max zu erreichen, und zum ersten Mal merkte er, dass er sich Sorgen um seinen Auftraggeber machte. Was war, wenn sie sich Max holten? Wenn Max sich nicht verteidigen konnte, was würde dann aus ihm werden? Gonal hatte kaum Chancen, sich zu retten, und Gabriel schien sich nach dem Ende zu sehnen. Armer Kerl . Diese Tageslichtsimulatoren schienen nicht die endgültige Lösung zu sein. Das war einfach armselig. »Wie kann das sein? Wie ist das nur möglich?«, fragte er sich immer wieder und steckte das Handy in die Tasche.
    Im gleichen Moment klingelte es. Er riss den Reißverschluss der Jackentasche auf und zerrte das Telefon heraus. Finger Mouse.
    »Um Gottes willen, Kyle, das ist ziemlich schräges Zeug, was ihr da liefert.«
    »Du hast es also gekriegt?«
    »Dan hat’s vorbeigebracht. Er

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