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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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sitzenden Schusswaffe. Ich setzte mich auf.
    »Wir haben sie«, erklärte Ellis. »Wollen wir Frage und Antwort spielen, oder soll ich es Ihnen einfach erklären?«
    »Sagen Sie’s mir«, forderte ich ihn auf.
    Ellis nickte kurz, so als wolle er sich bestätigen, dass seine eigene Vermutung, wie ich reagieren würde, richtig gewesen war. Dann stand er auf, machte eine Handbewegung,
Augenblick
, ging auf die Veranda hinaus und kehrte kurz darauf mit zwei Tassen frisch gebrühten Kaffees zurück. Er reichte mir eine Tasse und setzte sich wieder hin.
    »Als Erstes kann ich Ihnen versichern, dass Talulla lebt, es geht ihr gut, sie ist wohlbehalten. Sie ist weit weg, wo, kann ich Ihnen nicht verraten, aber Sie brauchen sich absolut keine Sorgen um ihr Wohlbefinden zu machen. Das kann ich Ihnen versprechen, Jake.«
    Ich stellte den Kaffee auf den Nachttisch. Mir zitterten die Hände. Als wir letzte Nacht unter dem Sternenhimmel vom Strand zurückgingen, hatte sie meine Hand genommen. Keiner von uns hatte ein Wort gesagt, doch bei dieser Geste dachten wir beide an den Tod. Jetzt hatte ich das Bild vor mir, wie sie mit angezogenen Knien auf einer spartanischen Pritsche in einer fensterlosen Zelle saß.
Lebend, gut, wohlbehalten
. Ich musste Ellis glauben, etwas anderes hatte ich nicht.
    »Ich kann das nicht nackt«, sagte ich.
    »Ich verstehe. Bitte.«
    Ich stand auf, spürte das vollkommene Vakuum, wo bei jedem anderen Zugeständnis oder Interesse an meiner Nacktheit gewesen wäre, und zog schnell meine Sachen vom Vortag an. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und zündete mir eine Camel an. Mein verliebtes Ich schluchzte und wiegte sich wie ein in der Zwangsjacke steckender Irrer und sagte immer und immer wieder:
Sie haben sie. Sie haben sie. Sie haben sie.
Im Nacken hatte ich eine wunde Stelle, die ich mir reiben musste.
    »Sticht’s noch?«, fragte Ellis. »Betäubungspfeil. Wir haben einen Neuen, nennt sich die Katze. Stimmt wohl, wenn er bis auf Ihren Balkon vorgedrungen ist, ohne Sie zu wecken. Sie haben nichts gehört?«
    Der Traum von einem Insektenstich. Meine eigene Nutzlosigkeit lastete auf mir wie ein Säufer im Koma.
    »Reden Sie schon.«
    »Gut. Also, wir haben sie. Sie können sie zurückhaben und für immer in Frieden leben. Dazu müssen Sie nur Grainer erledigen.«
    Ich sah Ellis an. Sein Gesicht wirkte friedlich, seine dunkelblauen Augen strahlten. Er erwiderte den Blick. »Sie haben mich richtig verstanden«, betonte er.
    »Grainer? Warum?«, fragte ich.
    Ellis trank einen Schluck Kaffee, sein Adamsapfel bewegte sich in seiner Kehle wie ein kleiner Ellbogen. »Jake«, sagte er, »folgendermaßen. Ich bin seit einer ganzen Weile bei einer Bewegung innerhalb der Organisation engagiert. Es handelt sich um eine Gruppe von Leuten – einige aus der Jagdgesellschaft, ein paar Techniker, Financiers –, die die Zeichen erkannt haben. Ziemlich große Zeichen: Wir brauchen Sie. Ganz wörtlich genommen, sind Sie der Grund für unser Dasein. Nicht nur Sie, natürlich. Die Vampire, die Dämonen, die Reanimierten, die Voodoo-Heinis, die Satanisten, die Dschinns, die Poltergeister, all das. Das Problem ist: All das wird langsam ein bisschen wenig. Das verstehen Sie doch, oder?«
    Durchgeknallte Verschwörungstheoretiker behaupteten nach 9 / 11 , die Regierung Bush habe die Angriffe selbst durchgeführt, um so freie Hand zu haben für ölgierige Aggression und einen Schuss in den sowieso schon gedopten Arm des militärisch-industriellen Komplexes. Ohne Furcht keine Finanzen. Deshalb Al-Qaida. Dasselbe Prinzip galt wohl auch hier.
    »Die Jungs, die ihre Arbeit so gut machten, dass sie keine mehr hatten«, sagte ich.
    »Genau. Meine Freunde und ich werden es nicht so weit kommen lassen. Für Grainer mag das ja okay sein, er hat Geld und hat diesen ganzen Scheiß sowieso satt. Aber was mach ich? Hamburger braten?«
    Also nicht nur Finanzen, sondern auch noch Identitätskrise. Ellis kannte nichts anderes. Pornostars sprachen über ihre Industrie wie von einer liebenden Familie. Bei der Jagdgesellschaft war das sicher nicht anders, konnte ich mir gut vorstellen.
    »Zu Ihrer Information«, fuhr Ellis fort, »es gibt jetzt zwei WOKOP s. Die Weltorganisation zur Kontrolle okkulter Phänomene und die Weltorganisation zur
Kreation
okkulter Phänomene. Wir sind noch nicht fertig. Und aller Wahrscheinlichkeit werden wir das auch nie. Doch unter unserem Einfluss wird sich einiges ändern. Wir werden retten, was für immer

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