Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
ich.«
»Das habe ich gelesen. Entsetzliche Angelegenheit.« Bunty sah zu seinem Schoßäffchen hinüber. »Damit besteht die Gefahr, dass die nordirischen Unruhen bis hierher ausstrahlen.«
Jeder hatte das bereits zwanzig Stunden vorher gewusst, aber Schoßäffchen nahm seine Handlangerpflichten ernst und nickte, als habe es den Gedanken gerade zum ersten Mal gehört.
»Also, ja. Oder Oui, wie man so schön sagt.« Bunty kaute auf seiner Wange. »Alors, mir sind Gerüchte über Sie zu Ohren gekommen.«
»Über mich gibt’s viele Gerüchte. Die meisten davon habe ich selbst in die Welt gesetzt.«
Er lächelte höflich anlässlich ihres versuchten Witzes. »Ich habe gehört, Sie haben sich gestern Abend mit McVie im Babbity’s getroffen und die Misty-Kolumne für diese Woche noch nicht abgegeben. Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«
Sie bemühte sich, möglichst unverbindlich dreinzublicken.
»Falls es irgendwelche Missverständnisse geben sollte, wäre uns das sehr unangenehm.« Er sah Schoßäffchen an, der nickte und lächelte. Dann wandte sich Bunty wieder ihr zu.
»Wir schätzen Sie über alle Maßen.« Er dehnte die Worte ein bisschen zu sehr und schloss dabei die Augen. »Wirklich über alle Maßen.« Beide sahen sie erwartungsvoll an.
»Schön«, sagte sie.
»Sind Sie zufrieden hier?« Bunty machte eine Handbewegung über seinen Schreibtisch hinweg und ließ ihr Raum, auch etwas zu sagen. Schoßäffchen ahmte seinen Gesichtsausdruck nach, als hätte er die Frage selbst gestellt.
»Vor zwei Monaten habe ich um mehr Geld gebeten und warte immer noch auf eine Antwort.«
Bunty beugte sich über den Tisch, verengte die Augen zu Schlitzen. »Wurde Ihnen anderswo mehr geboten?«
Sie starrte zurück. Sie könnte lügen. »Ich will mehr Geld und die Zusammenhänge von Terrys Tod recherchieren.«
Bunty lächelte und schüttelte den Kopf. »Sie haben schon lange nicht mehr für den Nachrichtenteil gearbeitet. Wir können nicht nach Lust und Laune Aufträge verteilen. Das könnte eine Nummer zu groß für Sie sein.«
»Ich will’s aber machen.« Paddy fand, sie klang genau wie Pete.
Bunty seufzte sein Gekritzel an: Eine Menge Schleifen, die wütend mit Bleistift ausgemalt waren, zeugten davon, dass er ein verhinderter Machtmensch war. »Sie wissen«, sagte er, »dass McVie Leute anheuert und zusieht, wie sie untergehen? Wissen Sie das? Er schließt Kurzzeitverträge ab und setzt sie dann auf die Straße.«
Das war eine gemeine Lüge.
Mit dem Bleistift kratzend schraffierte er eine weitere Schlaufe aus, während Schoßäffchen ihre Reaktion beobachtete. »Ich glaube, Bunty«, sagte sie vorsichtig, »dass Sie mal ein verdammt guter Journalist waren.«
Bunty sah auf und lächelte sie breit an. Er hatte Lücken zwischen den gelben Zähnen, sein Zahnfleisch ging zurück. Unerklärlicherweise mochte sie ihn plötzlich.
Er blickte wieder ernst. »Okay, Sie bekommen das Geld, aber die Geschichte nicht.«
»Aber ich …«
»Nein!« Er hob abwehrend die Hand. »Wenn Sie das machen wollen, dann in Ihrer Freizeit. Ich werde einen anderen darauf ansetzen.«
»Wen?«
»Merki.«
Sie schnaubte. »Merki?«
»Merki. Und jetzt raus.«
Merki war gut im Aufstöbern von Hinweisen, er verschaffte sich Zugang zu Wohnungen, aber die Leute mochten ihn nicht, niemand wollte mit ihm sprechen, weil er seltsam aussah. Es würde also ein Kinderspiel werden, und obendrein bekam sie die Gehaltserhöhung. Rasch stand sie auf, setzte ein Knie auf den Tisch, kletterte auf allen vieren über das auf Hochglanz polierte Holz und noch bevor Schoßäffchen eingreifen und sie daran hindern konnte, drückte sie Bunty einen feuchten, lauten Kuss auf den kahlen Kopf. Die Haut war glatt und papierähnlich.
Als sie wieder vom Tisch kletterte und sich den Rock geradezog, lachte er verlegen und wischte sich geziert den Kuss von der hohen Stirn.
»Lang lebe der König«, sagte sie und bewegte sich auf die Tür zu.
Schoßäffchen rief ihr nach. »Und wir kriegen den Text heute noch, ja?«
»Ich gebe ihn Larry heute Abend telefonisch durch«, rief sie zurück.
III
Sie benutzte das Telefon in der Abteilung für Sonderthemen und rief Terry Hewitts Anwalt an. Die Empfangsdame musste sie zuerst mit seiner Sekretärin verbinden, aber die wollte Paddy nicht zu dem Anwalt durchstellen, sondern ihr einen Termin zwei Wochen später geben.
Paddy sagte, das sei wirklich schade, denn sie schreibe für die Scottish Daily News und habe gehofft,
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