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Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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nicht viel. Noch immer musste sie ihn füttern wie ein Baby und ihm jeden Löffel aufzwingen, um dann zu erleben, wie das meiste wieder herauskam.
    Bibbernd schlang sie sich die Arme um den Leib. Obwohl es draußen eigentlich nicht kalt war, schien der Wind, der jetzt über die Insel wehte, direkt durch ihre warme Kleidung, ihre Haut und bis auf die Knochen zu blasen. Sie zog sich noch einen dicken Wollpullover über, den ihr Vater immer getragen hatte, wenn er zum Fischen hinausgefahren war. Aber auch das nützte nichts. Die Kälte schien von innen zu kommen.
    Ihre Eltern hätten Fredrik nicht gemocht. Das hatte sie seit ihrer ersten Begegnung gewusst. Hatte es jedoch verdrängt. Warum sollten sie das Recht haben, ihr Leben zu beeinflussen, nachdem sie gestorben waren und sie allein zurückgelassen hatten? Denn so hatte es sich lange angefühlt. Sie war sich selbst überlassen worden.
    Ihr Vater war zuerst gestorben. Eines Tages bekam er einen Herzschlag, brach zu Hause zusammen und stand nie wieder auf. Der Tod war unmittelbar eingetreten, hatte der Arzt gesagt. Zwei Wochen später erhielt die Mutter ihr Todesurteil. Leberkrebs. Sie lebte noch ein halbes Jahr. Als sie starb, sah sie zum ersten Mal seit Monaten friedlich, fast glücklich aus. Annie saß neben ihr, als sie starb, hielt ihre Hand und bemühte sich, das zu empfinden, was sie empfinden sollte: Sehnsucht und Trauer. Stattdessen war sie von Zorn erfüllt. Wie konnten die beiden sie nur alleinlassen? Sie brauchte sie doch! Sie schenkten ihr Geborgenheit und nahmen sie immer wieder in die Arme, wenn sie eine Dummheit gemacht hatte. Dann schüttelten sie den Kopf und murmelten zärtlich: »Aber Annie …« Wer sollte jetzt auf sie aufpassen und ihre wilden Neigungen im Zaum halten?
    Sie saß am Sterbebett ihrer Mutter und war von einem Augenblick auf den andern elternlos. Kleine Waise Annie, hatte sie gedacht und den Lieblingsfilm aus ihrer Kindheit vor sich gesehen. Sie war jedoch kein rotgelocktes Mädchen, das von einem freundlichen Millionär adoptiert wurde. Sie war die Annie, die dumme, impulsive Entschlüsse fasste und unbedingt ihre Grenzen finden wollte, obwohl sie eigentlich genau wusste, dass sie das besser nicht tun sollte. Sie war die Annie, die Fredrik kennenlernte, woraufhin ihre Eltern ein ernstes Wort mit ihr geredet hätten. Sie hätten dafür sorgen können, dass sie sich gegen ihn und ein Leben entschied, das direkt in den Abgrund führte. Aber sie waren nicht da. Sie hatten sie im Stich gelassen, und tief im Innern nahm sie ihnen das noch immer übel.
    Sie setzte sich aufs Sofa und zog die Knie hoch. Matte hatte ihren Zorn besänftigt. Für ein paar Stunden, einen kurzen Abend und eine Nacht hatte sie sich zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Eltern nicht einsam gefühlt. Nun war er nicht mehr da. Sie lehnte die Stirn an die Knie und weinte. Sie war noch immer die verlassene kleine Annie.
    »Ist Erling da?«
    »Klopfen Sie einfach an die Tür, er ist in seinem Zimmer.« Gunilla erhob sich zur Hälfte von ihrem Stuhl und zeigte auf Erlings geschlossene Tür.
    »Danke.« Gösta nickte und ging durch den Flur. Er war verärgert, weil ihm dieser Besuch höchst überflüssig erschien. Hätte er bloß daran gedacht, nach dem Computer zu fragen, als er mit Paula hier war, dann hätte er nicht noch einmal kommen müssen. Aber sie hatten es beide vergessen.
    »Herein!« Erling reagierte sofort. Gösta trat ein.
    »Wenn die Polizei so häufig hier auftaucht, brauchen wir uns um die Sicherheit in diesem Büro keine Sorgen zu machen.« Erling setzte sein Politikerlächeln auf und schüttelte begeistert Göstas Hand.
    »Hm, tja, da wäre noch eine Sache, der ich nachgehen müsste«, murmelte Gösta und setzte sich.
    »Schießen Sie los! Wir stehen der Polizei zu Diensten.«
    »Es ist wegen Mats Sverins Computer. Wir haben gerade seine Wohnung durchsucht und festgestellt, dass er ein Notebook besessen haben muss. Ist es hier?«
    »Der Computer von Mats? An den habe ich gar nicht gedacht. Lassen Sie mich mal nachsehen.«
    Erling stand auf und ging in den Korridor, verschwand aber gleich in einem anderen Raum. Einen Augenblick später war er wieder da.
    »Nein, hier ist er nicht. Ist er gestohlen worden?« Mit besorgter Miene ließ er sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder.
    »Das wissen wir nicht. Wir hätten ihn aber gern.«
    »Haben Sie seine Aktentasche gefunden?«, fragte Erling. »Eine braune, aus Leder. Er hatte sie immer dabei, und ich

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