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Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Winterson
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war leer. Der Himmel verschlossen.
    Dann schickte mich König Marke, dich zu holen, damit du seine Frau würdest.
    Du wolltest mich töten, sagtest du.
    Wieder öffnete ich dir meinen Körper. Wieder fiel die Klinge aus deiner Hand.
    Als deine Dienerin den Trank brachte, war mir klar, dass du vorhattest, mich zu vergiften. Unter den Klippen von Cornwall, wo der König in seinem Boot bereit war, uns zu empfangen, trank ich das Wasser, denn es war nur Wasser. Deine Dienerin hatte mir Wasser gebracht. Du trankst ebenfalls davon und stürztest zu Boden, und ich ging, um dich aufzufangen und zu stützen, derweil die Männer vor Anker gingen und ein Ruck durch das Schiff ging. Zum ersten Mal lagst du in meinen Armen, und du sagtest meinen Namen: »Tristan.«
    Ich antwortete dir: »Isolde.«
    Isolde
. Die Welt wurde Wort.
     
    Wir lebten nur für die Nacht. Die Fackel in deinem Fenster war mein Zeichen. Wenn sie brannte, hielt ich mich fern. Wenn du sie löschtest, kam ich zu dir – durch Geheimtüren, über dunkle Korridore und verbotene Treppen, indem ich Angst und Anstand wie Spinnweben zur Seite fegte. Ich war in dir. Du bargst mich in dir. Zusammen im Bett konnten wir schlafen, konnten wir träumen, und wenn wir den klagenden Schrei deiner Dienerin hörten, sagten wir, das sei ein Vogel oder ein Hund. Ich wollte nie wieder aufwachen. Ich hatte keine Verwendung für den Tag. Wir meuchelten die Sonne und fesselten die Hände der Zeit. Nur hier waren wir frei. Gefangen ineinander waren wir frei.
     
    Ich glaube, ich wusste es in dem Moment, als mein Freund Melot die Falle stellte. Ich wandte mich dem Angesicht des Todes zu, wie ich mich mit ganzem Leib der Liebe zugewandthatte. Ich würde den Tod eindringen lassen, wie du in mich eingedrungen warst. Du warst durch die Wunde eingetreten und durch meine Adern geflossen, und das Blut zirkuliert und kehrt zum Herzen zurück. Du brachtest mich zum Kreisen, im Ring deiner Hände brachtest du mich zum Erröten wie ein Mädchen. Du warst in meinen Arterien, in meinen Lymphgefäßen, du warst die Farbe unter meiner Haut, und wenn ich mich schnitt, warst du es, die blutete. Rote Isolde, lebendig in meinen Fingern, und immer drängt mein Blut dich zurück zu meinem Herzen.
     
    Als Marke uns fand, kämpfte ich an der Tür, bis du geflohen warst. Dann sah ich endlich Melot ins Gesicht, dem Freund, dem Vertrauten, und ich zeigte mit dem Schwert auf ihn, rot vor Blut. Als er sein Schwert gegen mich erhob, warf ich meines zu Boden und stieß mir seins in den Leib, gleich unterhalb des Brustkorbs. Die Haut, gerade zart verheilt, riss sofort auf.
    Als ich erwachte, war ich in meinem eigenen Schloss auf der anderen Seite des Meeres, hierher getragen und bewacht von meinem Diener. Er sagte, er habe nach dir gesandt, dort hinten, das sei doch wohl ein Segel? Ich konnte es sehen, es eilte heran wie die Liebe. Er stieg auf den Wachtturm, doch da war kein Segel.
    Ich fasste in die blutige Öffnung unter meinem Brustkorb. Ihr Name rann mir durch die Finger:
Isolde.
Wo bist du?
    Tristan.
Auch ich trank ihn nicht. Da war kein Liebestrank, da war nur Liebe. Du warst es, von dem ich trank.
    Tristan
, wach auf. Stirb nicht an der Wunde. Verbring mit mir die Nacht und stirb mit mir zusammen am Morgen.
    Sein Auge ist bleich, sein Atem ist still. Als ich ihn zum ersten Mal sah, war er still und bleich, und ich erweckte ihn mit einem Kuss zum Leben, auch wenn er nie erfuhr, dass das die Kunst war, derer ich mich bediente.
    Tristan
, die Welt war geschaffen, damit wir uns in ihr finden konnten. Schon jetzt verblasst die Welt und kehrt ins Meer zurück. Mein Puls verebbt mit deinem. Der Tod befreit uns von den Qualen des Scheidens. Ich kann nicht von dir scheiden. Ich bin du.
    Die Welt ist nichts. Die Liebe hat sie geschaffen.
    Die Welt verschwindet spurlos.
    Was bleibt, ist Liebe.

Die Kanne Full Strength Samson war ausgetrunken.
     
    Dark und Pew tranken schweigend ihren Tee, wie immer. Dark brach das Schweigen.
    »Erinnern Sie sich an meinen Besucher?«
    Pew zog an seiner Pfeife, ehe er sprach.
    »Darwin? Gewiss, ich erinnere mich gut, und Salts war wie ein großer Käse, auf dem’s von Mäusen wimmelte.«
    »Ich erwachte in einer Welt und ging in einer anderen zu Bett.«
    »Es war nur eine Marotte, Hochwürden. Ein Junge, der mit Muscheln spielt.«
    »Nein, das war keine Marotte, Pew. Die Welt ist älter, als wir uns träumen lassen. Und wie sie zustande kam, wissen wir kaum.«
    »Sie glauben also

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