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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Vergewaltiger, die Schänder. Doch hier bedurfte es vielleicht gar keiner Gewalt, nur eines Lächelns, einer ausgestreckten Hand. Ca me donne tant de plaisir et vous si peu de peine. Oh, wieviel Vergnügen! Er folgte ihr in das Zimmer, und aus dem Spiegel des Toilettentischs marschierten ihnen ihre Doppelgänger entgegen.
    Ein junges Mädchen mit ihrem Vater. Nein, ihrem Großvater. Sie gehörte zu den Menschen, die andere ungeschlacht und grobschrötig wirken lassen. In einem kurzen Moment bitterer Erkenntnis sah sich Wexford als zerfledderte Vogelscheuche. Nicht mal mehr in den besten Jahren. Alt, ein Opa.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Miss Doorn«, sagte er und war selbst überrascht, wie ruhig und normal seine Stimme klang. »Und würden Sie bitte das Radio ausschalten?«
    Immer noch lächelnd, erfüllte sie seine Bitte.
    Er empfand nach wie vor das gleiche für sie. Die Sehnsucht - vielleicht nur eine Sehnsucht nach Verjüngung - war noch vorhanden, doch als er sich von dem Spiegel abwandte, hatte er jenes Gefühl erlebt, das geistig Gesunde von Wahnsinnigen unterscheidet. Zwischen Traum und Wirklichkeit liegt eine tiefe Kluft. Und das, was möglich, vernünftig und glückverheißend erscheint, wenn es in Gedanken heraufbeschworen wird, löst sich wie Rauch in einer frischen Brise auf, sobald einem der Gegenstand dieser Begierden in Fleisch und Blut gegenübersteht. Er hatte sie einen flüchtigen Augenblick lang als hübsches Ding gesehen, aber eben nur als Ding, ohne Unterscheidungsvermögen, ohne Rechte, ohne Verstand. Nun sah er ein junges Mädchen vor sich, das ihn für das hielt, was er war: einen alten Mann. Innerlich schien sein ganzer Körper bitter über sich zu lachen.
    »Ich habe einige Fragen an Sie«, sagte er. Er wollte, das Gelächter würde aufhören, damit er Fassung bewahren und so gut wie möglich in die von ihm angestrebte Rolle hineinschlüpfen konnte, einer Mischung zwischen dem lieben Gott und einem Roboter, gemildert durch onkelhafte Herzlichkeit. »Über Ihre Beziehung zu Mr. Nightingale.« Schade, daß sie über Sex reden mußten. Aber wäre es anders gewesen, hätte der Traum vielleicht nie Gestalt annehmen können. »Wie stehen Sie zu ihm?«
    »Stehen?«
    »Sie wissen sehr gut, was ich meine«, brummte er.
    Sie zuckte die Achseln und breitete die Hände aus “Ich für ihn arbeite und wohne hier in seine Haus.« Sie zog an einer Haarsträhne, begutachtete sie und steckte sie dann in den Mund. »Er ist sehr nett und freundlich. Ich haben ihn gern.«
    »Er ist Ihr Geliebter, nicht wahr?«
    Vorsichtig, ohne Verlegenheit und keineswegs verängstigt, fragte sie: »Er hat das gesagt?«
    »Ja.«
    »Ach, der arme Kventin. Er will, daß niemand nicht davon erfahren, muß alles ganz geheim bleiben. Und jetzt haben Sie es herausgefunde.«
    »Leider muß ich Sie bitten, mir davon zu erzählen.«
    Sie schob trotzig die Unterlippe vor und schüttelte den Kopf.
    »Kommen Sie. Er hat es mir schon erzählt. Oder wollen Sie, daß er ins Gefängnis wandert?«
    Sie sperrte erschreckt den Mund auf. »Ist das wahr? In England kann man wandern ins Gefängnis, weil man jemand liebt?«
    »Natürlich nicht!« rief Wexford halblaut. »Jetzt hören Sie mal zu. Mr. Nightingale wird nicht ins Gefängnis wandern, wenn Sie mir die Wahrheit sagen. Erzählen Sie mir einfach alles, was zwischen Ihnen vorgefallen ist... Nein, nein, nicht alles .« Ein ungläubiges Lächeln war in ihre Augen getreten. »Wie eben alles anfing und so weiter.«
    »Na schön.« Sie kicherte quietschvergnügt. »Das ist immer schön, finde ich, über die Liebe sprechen. Ich sprechen darüber lieber als über alles andere.« Wexford spürte, wie die ungnädige Miene, die er bewußt hatte aufsetzen wollen, sich von ganz allein einstellte. »Es ist vier, fünf Wochen her. Ich liegen in Bett, es klopft, und es ist Kventin. Vielleicht will er sagen, das Radio ist zu laut, oder ich habe Wagen falsch abgestellt, aber er sagt nichts, weil ich sofort merken, daß er kommt, um zu lieben. Ich lese es in seine Gesicht. Immer kann ich es an den Gesichtern ablesen.«
    Allmächtiger! dachte Wexford, und das Herz drehte sich ihm im Leib herum.
    »Ich denke mir: wieso nicht? Ich denke, wie nett er ist, hat gute Manieren und schlanken straffen Körper, und ich vergessen, daß er ist älter als mein Vater in Holland. Außerdem weiß ich, er ist einsame Mann, verheiratet mit kalter Frau. Deshalb lieben wir uns sehr bald, und alles ist anders, denn wenn er ist in

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