Der Liebespakt
ich dieselbe Diagnose gestellt wie meine Kollegen. Angesichts Ihrer Familiengeschichte, wissen Sie, denn es ist kein Geheimnis, dass derlei Krankheiten erblich sind. Und eine Vergiftung durch Digitalis festzustellen wäre kein folgerichtiger Schluss gewesen, nicht da eine so nahe liegende Erklärung bereitlag.
Wird jedoch die Möglichkeit einer Vergiftung in Betracht gezogen, dann muss die Frage nach dem Warum gestellt werden. Wenn Ihnen jemand nach dem Leben trachtet, warum vergiftet er Sie dann nicht plötzlich? Warum nicht einfach eine Überdosis verabreichen? Darauf gibt es keine vernünftige Antwort, und daher wäre die Diagnose Vergiftung auch ohne Ihre familiäre Erbbelastung eine unwahrscheinliche Diagnose für jeden Arzt."
„Ich verstehe es immer noch nicht."
Der Doktor setzte sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was Sie nicht verstehen, Mylord, ist das Warum. Und diesbezüglich kann ich Ihnen nicht helfen.
Ich kann Ihnen auch nicht die vielleicht drängendere Frage nach dem Wer beantworten. Haben Sie einen Verdacht?"
„Noch nicht", log Magnus.
„Das ist ein Fall fürs Gericht, wenn ich Sie darauf hinweisen darf."
Der Earl warf ihm einen düsteren Blick zu. „Ich möchte vorläufig noch niemanden in ein Gerichtsverfahren verwickeln, zumindest nicht, bis ich mich entschieden habe, was zu tun ist."
„Aber Mylord, Sie sind in Gefahr!", protestierte Mr Hebbs.
„Nein", sagte Magnus und rieb sich das Kinn. „Das bin ich nicht. Wenn mich jemand hätte töten wollen, dann wäre ich schon längst tot. Jemand wollte mich ans Krankenbett fesseln, das ist alles."
Der Mediziner warf ihm einen langen Blick zu. „Dann wissen Sie wohl doch schon, wer der Täter oder die Täterin ist."
Es gab keinen Grund, das zu leugnen, doch konnte Magnus nicht ausführlicher werden. Er schwieg und ignorierte die Frage.
Der Arzt erhob sich. „Sie sind ein Peer, ein harter Mann, und ich werde Sie wohl kaum von irgendeinem dummen Plan abbringen können, wenn Sie einen solchen geschmiedet haben. Deswegen verabschiede ich mich jetzt von Ihnen. Nein, machen Sie sich bitte keine Umstände. Ich finde den Weg nach draußen allein." Er blieb auf dem Weg zur Tür plötzlich stehen. „Mylord, geben Sie mir bitte keinen anderen Grund, noch einmal hierherzukommen, außer Ihrer Frau bei der Geburt beizustehen."
Magnus lächelte. „Ich werde mich bemühen."
„Gut. Dann sehen wir uns erst in etwa sechs Monaten wieder."
Nachdem Mr Hebbs gegangen war, erhob sich Magnus. Lange stand er reglos da. Er konnte es nicht fassen. Sein Leben - es war noch nicht vorbei.
Und da geschah es. Die Mauern, die er um sich herum errichtet hatte, zerfielen. Diese sorgfältig konstruierten Hindernisse, die Schmerz, Furcht und Verlangen von ihm fern
halten sollten, sie stürzten ein. Er sank auf die Knie und barg das Gesicht in den Händen. Von ganzem Herzen dankte er seinem Schöpfer, der ihn nicht verlassen hatte, obwohl er ihn so lange verlassen hatte. Er fühlte sich wie Lazarus, den Jesus wieder zum Leben erweckt hatte. Er fühlte sich gesegnet. Und er fühlte sich elend,
weil er wusste, dass er dieses Glück nicht verdiente.
Einmal hatte er Caroline im Scherz gesagt, dass er erst, als er von seinem baldigen Tod erfuhr, erkannt habe, wie er leben wolle.
Tief atmete er durch, stand auf und sah sich um. Noch immer zeigte der Raum Spuren der Verwüstung nach seinem Wutanfall vor ein paar Wochen. Würde er sich jemals seinen Weg zurück erkämpfen können zu dem Mann, der er einst gewesen war?
Sein Leben war ihm noch einmal geschenkt worden. Er würde es nicht mit Bitterkeit verschwenden wie zuvor. Um zu leben, mit allen Sinnen zu leben, war Mut erforderlich. Und trotz seines Tobens und seiner Tollkühnheit hatte er bislang nicht den Mut besessen, so zielbewusst zu leben, wie er zu sterben vorgehabt hatte.
Nun, er würde herausfinden, wie tapfer er war. Am meisten Sorgen bereitete ihm, dass Caroline ihn unter falschen Voraussetzungen geheiratet hatte. Was, wenn sie nicht an einem Ehemann interessiert war, der noch viele Jahre leben könnte? Sie hatte ihn nur geheiratet, weil er ihr ein zukünftiges Leben als reiche Witwe versprochen hatte. Beruhten ihre Liebesschwüre nicht nur auf Mitleid mit einem Todkranken? Wollte sie ihn wirklich?
Dass er sie wollte, stand außer Frage. Es hatte ihm anfangs nicht gefallen, er hatte versucht, seine Gefühle für sie abzuleugnen, er hatte getobt und dagegen angekämpft, aber das Gefühl
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