Der Liebesschwur
Erfahrung«, meinte Edgar und lächelte sie schwach an.
»Ich habe mir einmal das Knie verstaucht, als ich in Indien war.« Der General warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Ein Pferd hat mich abgeworfen. Die Eingeborenen haben einen Umschlag mit übel riechenden Blättern darum gemacht. Um das Knie, nicht um das Pferd. Und innerhalb kürzester Zeit war alles wieder gut.«
Patience nickte und nippte dabei an ihrem Tee.
Gerrard saß neben ihr auf dem Stuhl, auf dem sie sonst immer saß. »Bist du auch sicher, dass alles in Ordnung ist?«
Patience achtete nicht auf den Schmerz in ihrem Knie, sie lächelte und drückte seine Hand. »Ich bin wohl kaum ein schwaches Geschöpf. Ich verspreche dir, ich werde nicht vor Schmerz ohnmächtig werden.«
Gerrard grinste sie an, doch seine Blicke blieben aufmerksam und besorgt.
Patience zwang sich zu lächeln, während sie sich umsah. Bis sie feststellte, dass Henry sie mit gerunzelter Stirn betrachtete.
»Wissen Sie«, meinte er, »ich verstehe nicht so ganz, wie Sie sich das Knie verstauchen konnten.« Sein Tonfall machte diese Bemerkung zu einer Frage.
Patience lächelte noch immer. »Ich konnte nicht schlafen, also habe ich einen Spaziergang gemacht.«
»Draußen?« Edmonds Überraschung wandelte sich zu Besorgnis. »Nun ja, ich nehme an, man macht seine Spaziergänge draußen – in der Nacht in diesem Mausoleum spazieren zu gehen, würde wohl jedem Albträume bereiten.« Sein schnelles Lächeln verschwand wieder. »Und die wollten Sie ganz sicher nicht haben.«
Mit zusammengebissenen Zähnen zu lächeln war gar nicht so einfach, dennoch gelang es Patience. »Ich bin wirklich nach draußen gegangen.« Zu schweigen wäre wohl besser gewesen, denn alle hingen an ihren Lippen. Sie waren so neugierig wie nur möglich.
»Aber …« Edgar runzelte die Stirn. »Der Nebel …« Er sah Patience an. »Das war ja die reinste Erbsensuppe in der letzten Nacht. Ich habe noch einmal aus dem Fenster gesehen, ehe ich meine Kerze ausgeblasen habe.«
»Der Nebel war ziemlich dicht.« Patience sah zu Edmond. »Die unheimliche Stimmung hätte Ihnen gefallen.«
»Ich habe gehört«, meldete sich Whitticombe zurückhaltend, »dass Mr. Cynster sie ins Haus getragen hat.«
Seine Worte hingen über dem Tisch, obwohl er sie nur leise ausgesprochen hatte, und in jedem Kopf weckten sie weitere Fragen. Plötzlich waren alle ganz still, vor Überraschung und schockierter Spekulation. Ruhig wandte sich Patience um. Sie lächelte nicht mehr, als sie Whitticombe mit einem abwesenden Gesichtsausdruck betrachtete.
In ihrem Kopf rasten die Gedanken, sie bedachte die verschiedensten Möglichkeiten, aber sie konnte ihm wirklich nur eine einzige Antwort geben. »Ja, Mr. Cynster hat mir zurück ins Haus geholfen – ich hatte Glück, dass er mich gefunden hat. Wir hatten beide ein Licht in den Ruinen gesehen und sind unabhängig voneinander hinausgegangen, um nachzusehen.«
»Das Gespenst!« Der Ausruf kam von Angela und Edmond gleichzeitig. Ihre Augen glänzten, ihre Gesichter waren vor Aufregung gerötet.
Patience versuchte, ihre Vermutungen zu dämpfen. »Ich folgte diesem Licht, als ich in ein Loch gefallen bin.«
»Ich hatte geglaubt«, meldete sich Henry ernst, »dass wir alle Minnie versprochen hatten, nicht in der Dunkelheit das Gespenst zu verfolgen.« Der Ton seiner Stimme und der Ausdruck in seinem Gesicht waren überraschend eindringlich. Patience fühlte, wie sie errötete.
»Ich fürchte, ich hatte dieses Versprechen vollkommen vergessen«, gestand sie.
»In der Aufregung des Augenblickes, könnte man sagen.« Edmond lehnte sich über den Tisch. »Hat Ihre Wirbelsäule geprickelt?«
Patience öffnete den Mund. Nur zu gern war sie bereit, auf Edmonds Ablenkung einzugehen, doch Henry war schneller.
»Ich denke, junger Mann, dieser Unsinn ist weit genug gegangen!«
Seine Worte waren zornerfüllt. Erschrocken sahen alle Henry an – sein Gesicht war hart, und sein Blick war auf Gerrard gerichtet.
Der erstarrte. Er sah Henry an, dann legte er ganz langsam die Gabel aus der Hand. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen«, antwortete Henry und betonte jedes einzelne Wort, »wenn man bedenkt, wie viel Schmerzen und Leid Sie Ihrer Schwester bereitet haben, bin ich erschrocken festzustellen, dass Sie ein so gefühlloser junger Kerl sind, dass Sie hier neben ihr sitzen können und so tun, als seien Sie unschuldig.«
»Ach, kommen Sie schon«, mischte sich Edmond ein.
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