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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wickelte meinen Mantel fester um meinen Körper und schlug die Kapuze übers Gesicht. Meine Hand legte ich beim Davongehen auf den Griff meines Degens. So würde sicher niemand auf die Idee kommen, mich anzusprechen.
    Ich lief durch ein paar schmale Gassen, in denen es nach ausgeleerten Nachttöpfen stank. Um diese Zeit brauchte ich aber nicht mehr zu befürchten, von deren Inhalt begossen zu werden. Die Frauen hängten bereits Betten und Decken über die Fensterbretter oder kehrten die Trittsteine ihrer Häuser. Handelskarren rollten über das schmutzige Pflaster und scheuchten ein paar streunende Hunde zur Seite.
    Niemand sprach mich an, niemand achtete auf mich. Es war ein gutes Gefühl, für einen Jungen gehalten zu werden.
    Plötzlich rollte eine Kutsche heran. Ich sah mich um. Sie war schwarz, wirkte ziemlich schwer und wurde von vier braunen Pferden gezogen.
    Offenbar war da ein Minister auf dem Weg in den Palast. Ich trat zur Seite, um sie vorbeizulassen, doch plötzlich hielt sie an. Was sollte jemand, der sich solch eine Kutsche leisten konnte, in dieser Straße zu tun haben?
    Auf einmal sprangen zwei Diener von dem Gefährt herunter, und ehe ich meinen Degen ziehen konnte, packten sie mich und zerrten mich sogleich zu der offenen Tür des Kutschenschlages.
    »He, was soll das?«, schrie ich, wobei sich meine Stimme kein bisschen nach Junge anhörte. Ein paar Leute gafften, doch niemand kam mir zu Hilfe.
    Mit rasendem Herzen versuchte ich mich zu wehren, doch die Männer waren stärker. Zudem schnellte ein weiteres Paar Hände aus der Dunkelheit der Kutsche. Sie zerrten mich ins Innere.
    Immerhin versetzte ich einem der Diener einen Tritt gegen die Brust. Rücklings flog er in den Schlamm, doch das nützte mir nun auch nichts mehr. Ich landete auf einer Sitzbank und sah, dass es zwei Männer waren. Oder besser gesagt: ein Mann und ein Junge. Der Bursche war blond und hatte blaue Augen. Sein ganzes Gesicht war von Sommersprossen bedeckt. Er war vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt.
    »Schließ die Tür, Dominik!«
    Der Junge gehorchte. Die Tür ging zu und ich war gefangen. Erst jetzt ließ mich der Mann los und setzte sich mir gegenüber. Während die Kutsche wieder losfuhr, nahm er den Schlapphut ab.
    Ich riss die Augen auf.
    Henri d’Aramitz grinste breit.
    Warum hatte ich seine Stimme nicht erkannt?
    »Was sollte das?« Eigentlich war ich vor allem wütend auf mich, dass ich ihn nicht erkannt hatte. Und ich war auch zornig, weil ich nicht die Kraft gehabt hatte, mich gegen die Diener zu wehren.
    »Ich wollte nur sichergehen, dass Ihr mir nicht verloren geht, Mademoiselle.«
    Ich bemerkte, dass der Junge überrascht die Augenbrauen hob. Ich hätte Aramitz am liebsten dafür gescholten, weil er ihm gegenüber preisgab, dass ich ein Mädchen war. Doch da legte er Dominik auch schon die Hand auf die Schulter. »Das ist mein Diener. Er steht seit zwei Jahren bei mir im Dienst und macht sich ganz prächtig. Wer weiß, vielleicht wird auch er eines Tages ein Musketier.«
    So wie die Augen des Blondschopfs zu leuchten begannen, schien das sein innigster Wunsch zu sein.
    »Aber bis dahin haben wir noch viele andere Dinge zu tun.«
    Er lehnte sich zurück und zog sich die Handschuhe von den Fingern. Ich bewunderte den Ring, den er am rechten kleinen Finger trug. Der Stein war blau und eine Lilie war darin eingraviert. Sie ähnelte der im Knaufstein meines Degens.
    »Und welche Dinge?«
    »Euch aus der Stadt zu bringen.«
    »Was?«, brauste ich auf. »Warum sollte ich die Stadt verlassen?«
    »Weil es hier zu gefährlich für Euch ist. Außerdem könnte es nicht schaden, wenn Eure Kampffertigkeiten ein wenig geschult werden.«
    »Hat Euch Athos nicht erzählt, dass ich fechten kann?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte aus dem Fenster. In der Ferne erblickte ich Notre Dame.
    »Doch, das hat er, er meinte sogar, dass Ihr sehr gut im Umgang mit der Klinge seid. Aber ich glaube, Ihr könntet noch ein paar andere Fähigkeiten benötigen. Wie Ihr gesehen habt, kommt man nicht immer dazu, seinen Degen zu ziehen.«
    »Hättet Ihr mich nicht hinterrücks überfallen lassen, wäre ich nicht in die Verlegenheit gekommen!«
    »Und glaubt Ihr wirklich, die Schwarze Lilie würde darauf Rücksicht nehmen? Die würden Euch im Vorbeireiten erschlagen, auf ein Pferd zerren oder in einen Hauseingang. Vielleicht auch in eine Kutsche wie wir eben. Habt Ihr denn noch nicht gemerkt, dass diese Männer es ernst

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