Der Lilienpakt
Mannes.
»Gütiger Gott!«, rief er aus und machte einen Satz nach hinten. »Die Tochter des Comte.«
Jetzt erkannte ich ihn. Es war Monsieur Garos, der Waffenschmied aus Paris. Einen Monat lag sein letzter Besuch zurück. Damals hatte mein Vater zwei neue Degen bei ihm bestellt, die Antoine und Roland bei ihrem Eintritt in die königliche Garde erhalten sollten.
»Habt keine Furcht, Mademoiselle«, redete der Waffenschmied auf mich ein und hob beschwichtigend die Hände. »Wir wollen Euch nichts tun! Ihr erkennt mich doch sicher. Ich bin’s, Garos!«
Das wusste ich, dennoch schwieg ich. Meine Stimme wollte mir einfach nicht gehorchen.
Immerhin fand ich die Kraft, aus meinem Versteck zu kriechen. Meine Arme und Beine zitterten furchtbar, aber das ignorierte ich. Den Degen in der Hand ließ ich den Mann vor mir nicht aus den Augen.
Garos betrachtete mich furchtsam, als wäre ich ein Raubtier.
Während ich mich langsam aufrichtete, stieg mir ein süßlicher Geruch in die Nase. Ich blickte zu dem jungen Burschen, dem ich die Degenspitze in den Arm gerammt hatte. Da er sich zusammenkrümmte, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, wohl aber seinen rabenschwarzen Haarschopf. Auf seinem Hemd breitete sich ein Blutfleck aus. Doch davon konnte der Geruch nicht kommen.
Langsam drehte ich mich um und sah zunächst nur ein dunkles Bündel vor der Tür liegen. Dann erkannte ich, dass es mein Vater war. Offenbar hatte er versucht die Angreifer aus dem Fechtsaal fernzuhalten. Wie angewurzelt starrte ich auf das Blut, das in das Parkett eingesickert war und die Form einer Fleur-de-Lis, der königlichen Lilie, hatte.
Eine schwarze Lilie.
Ich wollte schreien, doch kein Laut kam aus meiner Kehle.
»Könnt Ihr uns sagen, was geschehen ist?«
Die Stimme des Waffenschmiedes perlte an mir ab. Trauer und Zorn wuchsen wie dunkle Gewächse aus meinem Magen und schnürten mir die Kehle zu. Auf einmal war mein Mund ganz trocken und mein Herz schlug so laut wie ein Schmiedehammer.
»Wir sollten woanders hingehen«, sagte Garos. Doch ich konnte mich nicht bewegen.
Papa …
Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen. Ich hörte mein eigenes Seufzen und riss den Arm hoch, auf der Suche nach einem Halt. Doch es gab keinen.
Ich stürzte in die Finsternis.
Als ich wieder zu mir kam, spürte ich Nässe auf meiner Stirn. Ich schlug die Augen auf und erkannte unseren Salon. Der Engel, der die Decke des Gemachs schmückte, streckte seine Arme nach mir aus. Wie traurig seine Miene doch war!
Während ein Wassertropfen an meiner Nase vorbei über meine Wange lief, griff ich an meine Stirn und ertastete einen Lappen.
»Ihr seid wach!«
Die Stimme klang überrascht.
Über mir erschien das Gesicht eines Jungen. Er war in etwa so alt wie ich und hatte braune Augen. Sein Gesicht war sehr hübsch und bis auf eine kleine Narbe am Kinn makellos. Als ich den Verband an seinem Arm sah, fiel mir wieder ein, dass ich ihn verletzt hatte.
»Bitte verzeih mir, dass ich dich angegriffen habe. Ich wusste nicht …«
Der Junge schüttelte lächelnd den Kopf. »Schon gut. Ihr habt mich glücklicherweise nur am Arm getroffen.« Er verbeugte sich leicht. »Ich bin Jules, der Sohn von Monsieur Garos.«
»Christine.«
Ich zog das feuchte Stück Stoff von meinem Kopf und richtete mich auf. Jules war sofort zur Stelle, um mir zu helfen, doch ich wehrte ihn ab. »Es geht schon.«
»Wie Ihr wünscht.«
Er zog sich wieder zurück. Doch es war ein Fehler gewesen, seine Hilfe auszuschlagen. Plötzlich erfasste mich ein Schwindel. Ich klammerte mich an der Lehne der Chaiselongue fest und blickte an mir hinunter. Ich trug noch immer Nachthemd und Morgenmantel. Der Saum meines Hemdes war schmutzig.
»Mademoiselle?«, fragte Jules und griff nach meiner Hand. Die Berührung verscheuchte das Grauen ein wenig. »Vielleicht solltet Ihr Euch doch noch ein wenig hinlegen.«
Ich sah den Jungen an, ohne etwas sagen zu können. Dieses Gesicht! Diese sanften Augen. Noch nie zuvor hatte ich mich einem Menschen auf den ersten Blick so verbunden gefühlt. Seltsam.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet. Monsieur Garos trat ein. Jules richtete sich sofort auf und straffte sich. »Sie ist wach, Papa.«
»Das sehe ich.« Der Waffenschmied sank neben mir auf die Knie, als wollte er mich um Verzeihung bitten. »Mademoiselle, vergebt mir, aber könnt Ihr Euch erinnern, was hier geschehen ist?«
Ich nickte. »Hat jemand überlebt? Was ist mit unseren Knechten und Mägden?«
Garos
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