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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Jules, doch auch er konnte nicht abschätzen, wie die Entscheidung ausgefallen war.
    In der Küche roch es nach süßer Milch. Die alte Minou hatte es sich neben der großen Esse gemütlich gemacht. Das Feuer unter dem rußgeschwärzten Kessel loderte nur noch schwach, Madame Garos saß am Küchentisch und schnitt Äpfel. Das Zittern ihrer Hände überspielte sie damit nur schlecht. So rot, wie ihre Wangen waren, musste das Gespräch mit ihrem Mann sehr hitzig verlaufen sein.
    Der Schmied drückte die Tür ins Schloss.
    »Paul hat mir erzählt, was es mit dir auf sich hat«, begann Madame Garos. »Ich bin beunruhigt. Als Waffenschmied hat mein Mann viel mit Kämpfern der gesamten Stadt zu tun, und so bleiben auch mir die Geschichten nicht verborgen.« Sie blickte zu ihrem Mann. »Ich weiß, wer Euch bedroht, und mir ist bekannt, zu welchen Taten diese Männer fähig sind.«
    Ich staunte darüber, wie sie redete. Anscheinend war sie eine kluge Frau.
    »Die Gefahr, die Euch droht, ist beträchtlich. Ich muss auch an das Wohl meiner Familie denken.«
    »Ich werde nicht lange bei Euch bleiben«, entgegnete ich. »Nur so lange, bis ich eine Spur zu den Mördern meiner Familie gefunden habe.«
    Die Schmiedefrau warf ihrem Gemahl einen kurzen Blick zu.
    »Ihr könnt eine Weile bei uns bleiben«, erlöste mich Monsieur Garos. »Meine Frau ist einverstanden, auch wenn Ihr ihre Sorge sicher versteht.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Ich danke Euch. Vielleicht kann ich es Euch irgendwann vergelten.«
    »Das müsst Ihr nicht«, entgegnete Madame Garos. »Als gute Christen verschließen wir einer Verfolgten nicht die Tür. Doch ich ersuche Euch, keine Gefahr auf unser Haus zu lenken.«
    Ich blickte auf den Degen in meiner Hand. »Das werde ich nicht. Wenn es sein muss, beschütze ich Euch und die Euren mit meinem Degen.«
    In dieser Nacht starrte ich in meiner Kammer lange in die Dunkelheit. Der Wind pfiff durch die Ritzen des Daches, und die raue Decke wärmte mich nicht. Die ungewohnte Umgebung und die Begegnungen mit neuen Menschen hatten den Schmerz in mir ein wenig beiseitegedrängt. Doch nun kam alles wieder hoch.
    In meiner Hand hielt ich das Medaillon mit Antoines Locke. Neben mir lag der Degen meines Vaters. Während ich den kostbaren Stein am Knauf betrachtete, gingen mir unzählige Fragen durch den Kopf.
    Wie sollte ich die Mörder meiner Eltern finden? Wie sollte ich an Hinweise herankommen?
    Wenn Monsieur Garos mir erlaubte, in der Werkstatt mitzuhelfen, würde ich vielleicht die eine oder andere Geschichte aufschnappen. Aber das würde nicht genügen. Um die Schwarze Lilie ausfindig zu machen, musste ich in die Stadt.
    Der gestohlene Degen kam mir wieder in den Sinn. Ich kannte die Waffen meines Vaters in-und auswendig. Jede einzelne Gravur und Verzierung, die Größe der Glocken und Handschütze, die Wicklung der Griffe und die Knäufe hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Vielleicht würde ich diese Waffe hier an irgendeinem Gürtel entdecken?
    Aber Paris war eine große Stadt. Gewiss würde ich den Degengriff nur durch Zufall zu Gesicht bekommen. Dabei fiel mir ein, dass ich den Degen meines Vaters nie öffentlich tragen konnte. Ich musste den Degengriff verändern, den kostbaren Rubin gegen einen unscheinbareren Knauf eintauschen. Wie ich das bewerkstelligen sollte, wusste ich nicht. Während ich darüber nachdachte, fielen mir schließlich doch die Augen zu.

10
    Am nächsten Nachmittag, nachdem sein Vater ihn aus der Werkstatt entlassen hatte, zeigte mir Jules ein wenig von Paris.
    »Damit du im Fall der Fälle weißt, wo du was finden kannst«, erklärte er, froh darüber, wieder durch die Stadt streifen zu können.
    Auch ich war froh, der Langeweile zu entkommen. Obwohl ich als Schmiedelehrling galt, hatte ich nichts zu tun bekommen. Ich durfte wohl in die Werkstatt, stand dort aber nur herum. Wollte ich etwas helfen, war Jules zur Stelle. Auch im Haus bekam ich nichts zu tun. Madame Garos lehnte meine Hilfe jedes Mal ab.
    Glaubte sie, eine Grafentochter könne nicht arbeiten?
    Wir stapften an Saint-Sulpice vorbei durch das Quartier Latin, in dem viele Gelehrte ihre Häuser und Schulen ihren Sitz hatten. Weiter ging es über die Pont Saint-Michel auf die Île de la Cité – eine kleine Insel inmitten der Seine –, wo sich die Basilika von Notre Dame weit in den Himmel reckte. Bisher hatte ich nur von ihr gehört. Sie nun vor mir zu sehen, ließ mich vor Ehrfurcht erstarren und all das Elend

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