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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sich ein Mensch darin verbergen konnte.
    Jules kletterte geschickt den Stamm hinauf und beugte sich dann tief in das Loch.
    »Pass auf, dass du nicht kopfüber hineinfällst!«, rief ich ihm zu. »Ich werde dich nicht herausziehen können.«
    Aber meine Sorge war unbegründet. Nur wenige Augenblicke später richtete er sich wieder auf. In seiner Hand hielt er zwei hölzerne Übungsdegen, die er herunterwarf, bevor er selbst heruntersprang.
    »Sie sind zwar nicht so schön wie dein Degen oder die Waffen, die Vater fertigt«, erklärte er, als er neben mir landete. »Aber wenigstens kann man uns nicht verhaften und auf der Place de Grève den Kopf abschlagen.«
    »Du kennst die Geschichte um den Marquis de Bouteville?«, fragte ich erstaunt. Papa hatte erzählt, dass das berüchtigte Duell, das mit Todesurteilen für zwei der Beteiligten endete, in dem Jahr stattgefunden hatte, in dem ich geboren wurde – 1626.
    »Wer in Paris kennt diese Geschichte nicht? Frage irgendwen, der älter ist als dreißig, und er wird dir von dem Duell auf der Place Royale erzählen können. Und von der Hinrichtung Boutevilles und seines Sekundanten Chapelles.«
    Ich legte den Kopf schräg. »Wie dreißig siehst du aber noch nicht aus.«
    Jules grinste mich an. »Aber ich habe Ohren, um zu hören.«
    Und sehr hübsche Ohren noch dazu! Verwirrung überkam mich, und ich überspielte sie rasch, indem ich nach einem der Degen griff. Das Gewicht entsprach ungefähr dem eines richtigen Degens, doch er war keineswegs so gut ausbalanciert wie eine Waffe aus Stahl. Die Klingen bestanden aus zurechtgeschnitzten Ästen, der Korb hätte genauso gut ein großer hölzerner Trinkbecher sein können.
    Ich unterdrückte ein Lachen. Das waren wohl die seltsamsten Degen, die ich je gesehen hatte!
    »Mit wem hast du hier immer geübt?«, fragte ich Jules. »Immerhin sind es zwei Degen.«
    »Mit einem unserer Gesellen, die zeitweise hier sind. Er war früher einmal Soldat und hat mir einiges beigebracht.«
    Ich schwang den Holzdegen von einer Seite zur anderen, um meine Hand an die Waffe zu gewöhnen.
    »Dann lass sehen, was du kannst!«
    Ich begab mich in Fechthaltung. Jules hob den zweiten Degen auf und stellte sich mir gegenüber.
    »En garde!«, rief ich und grüßte mit dem Degen.
    Jules ahmte meine Bewegung nach, doch als er in Ausgangsstellung ging, merkte ich, dass er das Fechten von einem ›Schüler des Schlachtfeldes‹ beigebracht bekommen hatte. So nannte Maître Nancy Fechter, die zwar effektiv in einem Scharmützel fechten konnten, aber bei einem Ehrenduell aufgrund ihrer fehlenden Technik hoffnungslos unterlegen wären.
    Ich richtete die hölzerne Klinge auf ihn und suchte die Bindung zur gegnerischen Waffe – so nannte man es beim Fechten, wenn sich zwei Klingen berühren. Auf diese Weise tasteten sich die Kämpfer zunächst ab und maßen gegenseitig ihre Stärke und Reaktionen.
    Plötzlich holte Jules mit einem wilden Schrei zu einem Hieb aus. Maître Nancy hätte mir für solch eine Aktion die Ohren lang gezogen. Ich parierte den Hieb und wich dann zur Seite aus, denn ich rechnete damit, dass Jules vollkommen ungelenk nachsetzen würde, was selbst dann eine Gefahr darstellte, wenn der Gegner eine Klinge aus Holz führte. Und so war es auch. Er hieb auf mich ein, als gelte es, einen Holzklotz zu zerhacken.
    Als es mir schließlich reichte, brachte ich unsere Klingen in die Bindung, drehte sie zweimal umeinander und hebelte Jules schließlich die Waffe aus der Hand. Klappernd landete sie neben der Weide.
    »Wie hast du das denn gemacht?«, wunderte er sich.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ganz einfach. So!« Ich wiederholte die Bewegung in der Luft. »Hat dir das dein Lehrmeister nicht beigebracht?«
    Jules schüttelte den Kopf.
    »Fechten ist nicht allein wildes Draufloshauen«, erklärte ich. »Man muss ein paar Grundbegriffe kennen.«
    »Und du kannst mir das beibringen?«
    Ich nickte, worauf mich Jules prüfend ansah. Zweifelte er etwa an meinen Worten?
    »Also los, bring es mir bei«, sagte er und holte seinen Degen.
    Jules würde es sicher nicht schmecken, wenn ich mit der Aufstellung und anderen kleinen Dingen begann, aber wenn er richtig fechten wollte, war gerade das wichtig.
    »Zunächst solltest du die Waffe anders halten.« Ich ging zu ihm und korrigierte seinen Griff. »Außerdem solltest du dich anders hinstellen. Ein Kämpfer, der nicht richtig steht, verliert leicht die Balance, und das wäre in einem Kampf tödlich.«
    Ich

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