Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
zog seinen linken Arm ein wenig nach hinten, richtete seine rechte Schulter und schob das rechte Bein weiter vor.
    »Merkst du den Unterschied?«
    Jules schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Ich fühle mich verkrampft.«
    »Das wird sich ändern, wenn du erst einmal kämpfst. Wenn du angegriffen wirst, hast du keine Zeit mehr, dich verkrampft zu fühlen, aber du wirst dankbar sein, dass deine Füße so gut auf dem Boden stehen.«
    Jules wirkte nicht überzeugt. Seine falschen Kampfgewohnheiten hatten sich anscheinend schon eingeschliffen.
    Nachdem wir die Fechthaltung eingenommen hatten, zeigte ich ihm, wie ein Ausfallschritt aussah. Dabei tippte ich die Spitze des Holzdegens gegen seine Schulter und erklärte, dass es bei dieser Aktion auf den Abstand zwischen den Fechtern ankam. Nur wenn man dicht genug beieinanderstand, konnte man einen Treffer erzielen.
    Als er die Bewegung einigermaßen nachahmen konnte, zeigte ich ihm eine Einladung – also wie man den Gegner durch das Aufdecken einer Blöße zum Angriff provozieren konnte –, einen Angriff und eine Parade.
    »Das ist wirklich ein ganz anderes Fechten«, schnaufte Jules, während er seinen Degen senkte.
    »So macht man es richtig«, entgegnete ich lächelnd. Ich wünschte, Jules hätte Gelegenheit gehabt, bei Maître Nancy zu üben.
    Schließlich setzten wir uns unter die mächtige Ulme, deren Krone einen großen Teil der Hügelkuppe überspannte. Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont zu. Bald würden wir zurückkehren müssen.
    »Woher hast du eigentlich die Narbe?«, fragte ich, nachdem ich eine Weile seine Gesichtszüge studiert hatte.
    »Du meinst diese hier?« Er tippte auf sein Kinn.
    »Ja, genau die.«
    »Die habe ich schon, seit ich fünf Jahre alt war. Mein Vater hatte mir verboten, in die Schmiede zu gehen, dennoch zog es mich immer wieder dahin. Ich fand die Arbeit meines Vaters einfach zu interessant.«
    So ähnlich war es auch mir ergangen. Ob Leidenschaften vererbt wurden?
    »Was ist passiert?«
    Jules fuhr sich versonnen übers Kinn. »Nachdem mich Papa am Vortag aus der Schmiede gezerrt hatte, wollte ich mich nicht wieder erwischen lassen. Ich versteckte mich in der Nähe des Ambosses, als mein Vater ein Schwert schmiedete. Hin und wieder kommt es vor, dass sich dabei glühende Metallspäne lösen.«
    »Und solch ein Stück hat dich getroffen.«
    Jules nickte. »Was meinst du, wie mein Vater geflucht hat! Ich habe laut geschrien und geweint, denn das Metall hatte sich in meine Haut geschmort, Papa entfernte es rasch, aber da war es schon zu spät. Himmel, hat das wehgetan! Meine Eltern beschuldigten sich gegenseitig, nicht aufgepasst zu haben. Schließlich sahen sie ein, dass Zank nichts brachte. Maman kühlte meine Wunde, und Papa baute mir zum Trost ein Windspiel aus Metallresten.«
    »Bist du danach wieder in die Schmiede gegangen?«
    Ein vielsagendes Lächeln zuckte um Jules’ Mund. »Solange ich Schmerzen hatte, nicht. Aber kaum war alles verheilt, war ich wieder da. Allerdings suchte ich mir ein Versteck, an dem mich kein Funke treffen konnte.«
    Das hatte ich auch nicht anders erwartet und ich fand ihn jetzt noch liebenswerter.

12
    Vier Tage nachdem Jules die Briefe bei Monsieur Ismael abgeholt und sie dem Postreiter übergeben hatte, trafen die Gesellen in der Schmiede ein. Wie immer ergriff die taube Minou die Flucht, als sie das Stampfen der Pferdehufe spürte. Mit erstaunlicher Schnelligkeit erklomm sie das Schuppendach und beobachtete von dort aus, wie die Reiter ihre mächtigen Pferde zum Stehen brachten.
    Jacques Tournier, mit dem Jules Fechten geübt hatte, war ein grobschlächtiger, glatzköpfiger Hüne mit zahlreichen Narben auf den Armen. Man sah ihm an, dass er einst als Söldner gedient hatte.
    François Marchon war weder groß noch grob gebaut, doch seine Arme waren sehr muskulös und ließen darauf schließen, dass er keine Schwierigkeiten haben würde, einen Hammer zu heben. Sein halblanges, blondes Haar umrahmte ein überraschend gut aussehendes Gesicht, das auch zu einem Höfling gepasst hätte.
    Garos empfing beide herzlich, als wären es seine Brüder. Die Männer umarmten sich, klopften sich gegenseitig auf den Rücken, dass es nur so staubte, und versicherten einander, dass sie sich seit dem letzten Treffen überhaupt nicht verändert hätten.
    »Wer ist denn das Bürschchen da?«, fragte Jacques, als er mich neben Jules stehen sah.
    »Das ist mein neuer Lehrling. Christian.« Garos legte die Hand auf

Weitere Kostenlose Bücher