Der Lilienpakt
wollte ich nicht untätig herumsitzen. Nachdem Madame Garos mir erneut versichert hatte, dass sie meine Hilfe in der Küche nicht brauchte, ging ich in die Schmiede. Das Feuer loderte heftig und die Hitze nahm mir für einen Augenblick den Atem. Der Waffenschmied hämmerte gerade heftig auf glühenden Stahl ein. Die Funken stoben nur so durch die Schmiede. Jules betätigte den Blasebalg, um das Feuer, in dem weitere Schmiedestücke schlummerten, anzuheizen.
»Braucht Ihr nicht ein wenig Hilfe?«, fragte ich, als der Waffenschmied den bearbeiteten Stahl in den Wasserbottich tauchte, um ihn abzukühlen.
»Hilfe brauche ich schon, allerdings nicht Eure.« Schnaufend wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
»Und warum nicht?«, bohrte ich nach.
»Weil ich nicht will, dass Ihr Euch verletzt.«
»Aber was für ein Lehrjunge bin ich dann, wenn ich Euch nicht zur Hand gehen darf?«, protestierte ich.
»Ihr seid …« Garos stockte und blickte sich nach allen Seiten um. Ein paar Leute gingen vorbei, blickten aber nicht durch das Schmiedetor. Der alte Schreiber saß vor der Tür seiner Hütte und ging seinem Tagwerk nach. »Euer Vater hätte es mir nie verziehen, wenn ich aus Euch eine Magd machen würde«, fuhr Garos flüsternd fort. »Ihr seid mein Gast.«
»Ein Gast, der Euer Brot isst, ohne von Nutzen zu sein!«
»Aber das ist doch der Sinn eines Gastes«, bemerkte Jules vorlaut, worauf er sich einen Nasenstüber von seinem Vater einfing.
»Bitte versteht, dass ich mich unbehaglich dabei fühle, meine Beine unter Euren Tisch zu strecken und nichts dafür zu tun. Gebt mir wenigstens eine kleine Arbeit, etwas, das auch ein Lehrjunge tun müsste.«
Garos kämpfte immer noch mit sich.
»Ich bitte Euch! Lasst mich den Blasebalg drücken oder Euch zureichen. Jetzt, da Ihr so viele Aufträge erhalten habt, braucht Ihr Jules beim Schmieden. So werden die Leute wirklich glauben, dass Ihr einen Lehrjungen habt, und sich nicht fragen, wer der Bursche ist, der auf dem Hof herumlungert und auf Grashalmen herumkaut.«
Garos wog das Für und Wider gründlich ab.
»Also gut«, lenkte er schließlich ein und legte den Hammer auf den Amboss. »Wir werden sehen, welche Arbeit für Euch die richtige ist.«
»Bitte sagt Du zu mir. Ihr müsst keine Formen wahren.«
Der Waffenschmied nickte und bedeutete mir mitzukommen.
Auf dem Tisch des Nebenraums lagen große Lederstücke und Drahtrollen. »Da Ihr …« Als ich ihn anblickte, korrigierte er sich schnell. »Ich meine, da du einen Degen führen kannst, nehme ich auch an, dass du spürst, wann die Wicklung eines Griffes in Ordnung ist und wann nicht.«
Ich nickte.
»Zunächst wirst du nur das Leder in Streifen schneiden und den Draht in der Länge kappen, die ich dir vorgebe. Wenn du diese Arbeit zu meiner Zufriedenheit ausführst, zeige ich dir, wie man einen Griff richtig wickelt, sodass sich nichts löst.«
Begierig folgte ich den Instruktionen des Waffenschmiedes. Auch wenn es nur eine kleine Arbeit war, ich bekam endlich etwas zu tun und hatte so die Möglichkeit, Dinge aufzuschnappen, über welche die Kundschaft in der Schmiede redete.
Den ganzen Vormittag schnitt ich Leder zu und kappte Draht mit einer schweren Hebelschere. Am Nachmittag zeigte mir Monsieur Garos dann, wie der Draht um die Waffengriffe gewunden werden musste. Das sah leichter aus, als es war. Nachdem ich mich an der ersten Wicklung versucht hatte, schmerzten meine Armmuskeln. Sicher würde es ein Weilchen dauern, bis ich Routine in dieser Arbeit bekam.
Nach dem Abendessen liefen Jules und ich durch die Porte Saint-Germain zu einer grasbewachsenen Anhöhe vor der Stadt. Von hier oben konnte man nicht nur Saint-Germain-des-Prés, sondern auch einen großen Teil von Paris überblicken. Die Seine wirkte von hier wie ein diamantenes Band, das im Sonnenschein glitzerte. Der Ruf eines Greifs, der über den Feldern kreiste, wurde vom Läuten der Glocken übertönt, welche die Gläubigen zur Abendmesse riefen.
»Was wollen wir denn hier?«, fragte ich verwundert. Jules machte auf mich nicht den Eindruck, als wäre er jemand, der sich an der Schönheit der Natur erbauen konnte.
»Na, was schon?«, antwortete er. »Fechten üben! Du wolltest mir doch was beibringen.«
»Aber wir haben keine Degen!«
»Das glaubst du!«
Er zog mich zu einer alten Weide, die zwischen einigen Ulmen und Kastanienbäumen stand. Obwohl der Stamm noch immer Äste ausbildete, war er in der Mitte hohl – und groß genug, dass
Weitere Kostenlose Bücher