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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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verschlossen, um den Trauernden die Möglichkeit zu geben, Zwiesprache mit den Toten zu halten. Viele gab es bei den d’Autrevilles in dieser Hinsicht nicht. Soweit die Bruderschaft wusste, hatte der Comte keine Verwandten. Und wenn auch die Tochter tot war …
    Als die Männer eingetreten waren, nahm der Capitan die Laterne an sich. Er schritt die steinernen Sarkophage ab und beleuchtete die Namensschilder, bis er schließlich vor dem richtigen stand.
    »Der hier«, flüsterte er seinen Begleitern zu, die sich im Hintergrund gehalten hatten. »Aber dass ihr mir um Himmels willen keinen Krach macht.«
    Die Männer machten sich an die Arbeit. Mit ihren Brechstangen hoben sie die schwere Steinplatte an und schoben sie so weit zur Seite, das man den Sarg erblicken konnte. Verwesungsgeruch erfüllte die Gruft.
    »Heilige Mutter Gottes!«, murmelte der Capitan, während er ein Tuch hervorzog und es sich vors Gesicht hielt.
    In dem Augenblick ertönten Schritte an der Tür zur Gruft.
    Der Capitan zog mit der freien Hand eine Pistole und richtete sie auf die dunkle Gestalt, die dort stand.
    »Bleibt ruhig, Capitan«, sagte eine dunkle Männerstimme. »Unser aller Herr schickt mich. Ich soll Euch zur Hand gehen.«
    Der Capitan richtete seine Waffe noch einen Augenblick auf den Eindringling, obwohl er dessen Stimme erkannt hatte. Dann ließ er den Arm wieder sinken und lächelte schief.
    »Warum hat er Euch nicht gleich mit mir mitgeschickt?«
    »Weil ich nicht abkömmlich war. Ihr wisst, welches Amt ich bekleide. Da kann ich nicht verschwinden, wie es mir beliebt.«
    »Ja, ja, ich weiß«, gab der Capitan mürrisch zurück. Eigentlich hätte er dankbar sein müssen, denn der Neuankömmling würde ihm die Arbeit sehr erleichtern. Aber in seinem Herzen hegte er ein gewisses Misstrauen gegen diesen Mann, der sich ihnen erst vor einem Jahr angeschlossen hatte. Es war immer noch möglich, dass er im Dienst der Gegenseite stand.
    Diesen Gedanken verdrängte der Capitan aber rasch wieder. »Macht weiter!«, wies er seine Handlanger an. Der Neuankömmling, der es nicht für nötig hielt, seine Kapuze vom Kopf zu ziehen, stellte sich neben ihn, zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und bedeckte sein Gesicht.
    Nachdem die Handlanger die schwere Steinplatte heruntergehoben hatten, machten sich zwei daran, den Sargdeckel zu entfernen. Das Holz ächzte, als sich die Sargnägel lösten. Ein lautes Knirschen ertönte, als ein Stück vom Deckel absplitterte.
    »Verdammt, habe ich euch nicht gesagt, dass ihr vorsichtig sein sollt?«, fuhr der Capitan die Männer an. Diese blickten kurz auf, fuhren dann aber fort.
    »Ihr seid nervös«, stellte der Neuankömmling fest. »Fürchtet Ihr Euch eher vor dem, was in diesem Sarg liegen könnte, oder vor dem, was nicht darin liegt?«
    »Spart Euren Atem besser, Monsieur, ich glaube, Ihr werdet ihn gleich anhalten müssen.«
    Mit einem weiteren lauten Knacken löste sich der Deckel. Die Männer wichen aufstöhnend zurück.
    Auch der Capitan und sein Nebenmann machten einen Satz nach hinten, denn der Geruch war furchtbar.
    »Haltet eine Fackel über den Sarg, damit ich hineinsehen kann.«
    Einer der Männer kam der Anweisung zögernd nach.
    Der Neuankömmling beugte sich über den Sarg und betrachtete das Mädchen, dessen Gesichtszüge trotz der Verwesung immer noch recht gut zu erkennen waren. Dann zog er der Toten ein Augenlid nach oben. Der Augapfel war trübe, aber seine ursprüngliche Farbe war noch zu erkennen.
    »Das ist sie nicht«, stellte er ruhig fest. »Ihre Augen waren grün. Und auch die Farbe des Haars und die Gesichtszüge sind nicht die ihren.«
    Damit zog er sich wieder zurück und bedeutete den Männern, den Sarg wieder zu verschließen.
    »Ihr seid Euch sicher?«
    »Ich schwöre bei meinem Leben, dass sie es nicht ist.«
    Der Capitan starrte ihn erschrocken an. »Dann sind die Leute einem Irrtum aufgesessen?«
    Der Kapuzenträger lachte auf. »Nein, ein Irrtum war das ganz sicher nicht. Entweder hat jemand versucht das Mädchen zu schütten. Oder sie ist selbst auf die Idee gekommen, ihren Tod vorzutäuschen. Das würde bedeuten, dass sie um das Geheimnis wusste.«
    »Wir müssen sie finden!«, stieß der Capitan hervor. Einerseits war er erleichtert, dass seine Leute keinen Fehler begangen hatten, andererseits bedeutete es, dass sie jetzt nach der Nadel im Heuhaufen suchen mussten.
    »Das wird nicht so einfach, denke ich. Für den Fall der Fälle hatte der Comte klare Anweisungen.

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