Der Lilienpakt
Papa hat derzeit nicht viel zu tun, es kommt nur selten ein Kunde, der eine neue Klinge verlangt.«
»Im Sommer duellieren sich die Edelmänner eben mehr«, scherzte ich und versuchte so zu verbergen, dass ich mich bereits jetzt nach ihm sehnte. Ich würde das Weihnachtsfest mit Athos verbringen müssen, dem gewiss nicht der Sinn danach stand, einen Gänsebraten auf den Tisch zu stellen und zur Weihnachtsmesse zu gehen. Während der Zeit, in der ich bei ihm war, waren wir höchstens dreimal in der Kirche gewesen. Es würde also eine trostlose Zeit werden, in der ich nicht einmal Jules sehen konnte.
»Maman würde dich an Weihnachten ja gern einladen, aber sie weiß nicht, ob es dein Dienstherr erlaubt«, brachte Jules schließlich hervor, als hätte er meine Gedanken lesen können.
»Das ist lieb von ihr, doch es wird besser sein, wenn ich hierbleibe.« Ahnte er, wie schwer mir diese Ablehnung fiel?
Er streckte die Hand aus und strich über meine Locken, die mittlerweile schon wieder kinnlang waren.
Ich errötete und sagte dann rasch: »Ich muss sie wieder schneiden, sonst fällt es am Ende noch auf.«
Jules lächelte mich an. »Ich hoffe sehr, dass du eines Tages wieder die Gelegenheit haben wirst, sie lang zu tragen.«
»Das werde ich ganz bestimmt«, erwiderte ich. Wir sahen uns eine Weile in die Augen, dann fiel mir plötzlich ein, was ich ihm zu Weihnachten schenken konnte.
Ich beugte mich vor und küsste ihn auf den Mund.
Jules wich zunächst ein wenig zurück, doch dann beugte er sich vor, umfasste mit seinen Armen meinen Nacken und erwiderte meinen Kuss.
»Das war dein Weihnachtsgeschenk«, sagte ich lächelnd, als ich mich wieder von ihm löste.
Jules lächelte breit. »Das schönste, das ich je bekommen habe.«
»Ich an deiner Stelle würde abwarten, vielleicht bringt dir das Christkind noch etwas Besseres.«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Jules und fügte nach einer Weile grinsend hinzu: »Allerdings hätte ich gern noch eins davon.«
Lächelnd schlang ich meine Arme um ihn und küsste ihn erneut.
2
Der Abend kam um diese Jahreszeit schnell, also mussten wir uns alsbald verabschieden. Mit dem Versprechen, es in der Neujahrsnacht irgendwie zu bewerkstelligen, uns hier auf dem Hügel zu treffen, ließ ich Jules ziehen und kehrte in die Rue Saint-Michel zurück.
Hin und wieder erlaubte Athos mir, beim Wirt des Roten Hahns eine Mahlzeit zu holen. Seit der Musketier einen Teil der Schulden beglichen hatte – der Sold für seinen Botengang in die Champagne war beträchtlich gewesen –, begrüßte mich Amelie besonders freundlich. Auch heute Mittag war das der Fall gewesen. Wegen des Treffens mit Jules hatte ich das Essen früher als sonst geholt und hing den Kessel nun an den Haken über dem Feuer.
Als Athos aus der Kaserne zurückkehrte, wirkte er seltsam beunruhigt. Wortlos trat er ein, zog den Waffenrock aus und stellte sich vor das Feuer. Ich hielt mich bereit, um ihm die Stiefel auszuziehen, doch er schien sie anbehalten zu wollen. Was war passiert?
»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte ich, um die drückende Stille zu vertreiben.
Athos reagierte nicht. Er wärmte weiterhin seine Hände am Feuer, ja streckte sie sogar so weit in die Esse, dass ich schon fürchtete, seine Ärmel würden Feuer fangen.
Beim Duft der Fleischgrütze zog sich mein Magen erwartungsvoll zusammen und ich freute mich schon auf den ersten Löffel davon.
Athos schien jedoch keinen Appetit zu haben. Als ich ihm etwas von der Grütze auftun wollte, wies er mich mit einer knappen Handbewegung zurück. Was war nur los? Ich füllte mir selbst den Teller und blickte dann erwartungsvoll zu meinem Herrn. Doch dem schien es gleichgültig zu sein, ob ich aß oder nicht. Ich sprach rasch mein Tischgebet und begann die Grütze in mich hineinzuschaufeln. Ich hoffte, dass Athos nun doch mitessen würde, doch er starrte nur stumpf auf seine leere Schüssel.
»Gibt es Neues aus dem Palast?«, versuchte ich es noch einmal, denn vielleicht hatte er meine vorherige Frage nicht verstanden. »Was erzählt man sich über die Königin? Kommt sie mit ihrem Ersten Minister aus?«
»Was geht es dich an?«, versetzte Athos gereizt.
»Sie ist doch auch meine Königin, oder nicht?«
Athos schnaufte spöttisch. »Pah, deine Königin. Du Grünschnabel hast ihr noch nie gegenübergestanden!«
»Ist dass denn Bedingung, um sie zu verehren?«, gab ich zurück. Wieder einmal hatte ich große Lust, ihn darüber aufzuklären, wer ich wirklich
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