Der Lilienpakt
zu.«
»Vielleicht sticht er ihn ab, zur Warnung für die anderen Esel.«
Wieder lachte alles. Durfte man so über einen Musketier des Königs sprechen? Oder sich über ihn lustig machen?
Wahrscheinlich sah Athos nur deshalb davon ab, die Lästermäuler zur Rechenschaft zu ziehen, weil er es eilig hatte.
Mir kam jedoch ein Gedanke. Was, wenn dieser Auflauf dazu diente, einen Mörder auf ihn loszulassen?
Die Geschichte, die mir Monsieur Ismael erzählt hatte, kam mir wieder in den Sinn. Auch beim Mord an Henri IV. hatte der Mörder eine blockierte Straße genutzt.
Sorgenvoll reckte ich den Hals. Athos war nicht zu sehen. Was, wenn jetzt die Klinge eines Mörders zustach? In dem Gedränge konnte ich ihn nicht ausmachen.
Plötzlich ertönte ein Schrei! Er ging mir durch Mark und Bein, und ich fürchtete schon das Schlimmste. Auf einmal ging jedoch ein Ruck durch die Menge.
»He, es geht wieder!«, rief einer der Burschen, die auf das Vordach eines Hauses geklettert waren und von dort die Szenerie gut überblicken konnten.
»Hast du gesehen, was der Musketier gemacht hat?«
»Er hat dem Esel was ins Maul gesteckt und ihm den Rücken getätschelt.«
Erleichtert atmete ich durch. Der Eselskarren war offenbar doch nicht mit Absicht hier.
Tatsächlich löste sich die Ansammlung langsam, aber sicher auf. Die Burschen kamen wieder vom Dach herunter, und wenig später tauchte Monsieur d’Athos wieder vor mir auf. Von den Spöttern kam natürlich kein Wort des Dankes.
»Wie habt Ihr das gemacht?«, fragte ich.
Athos lächelte hintergründig. »Nicht alle Probleme lassen sich durch den Degen und einen Kampf lösen. Auch die Peitsche nützt meist nichts. Dann muss man eben einen anderen Weg suchen.«
»Und welchen Weg habt Ihr bei dem Esel gefunden?«
Er griff in die Tasche und zog ein Stück Kandiszucker hervor. »Diesen hier. Der Esel war nur erschöpft. Durch den Zucker hat er neuen Lebensmut geschöpft, und schon ging es weiter. Ich habe dem Eselkutscher geraten, Möhren auf seinem Wagen mitzunehmen.«
Damit schob er der alten Margot das Zuckerstück zwischen die Lippen. Sie kaute genüsslich darauf herum, während Athos’ Hengst protestierend schnaufte. Doch er bekam nichts.
Stattdessen schwang sich Athos wieder in den Sattel. Die Menge hatte sich nun fast vollständig aufgelöst. Nur ein paar Leute standen herum und blickten zu uns herüber.
Der Zucker wirkte tatsächlich Wunder, denn die alte Margot lief wesentlich freudiger los. Nicht nur der Eselkutscher würde jetzt wohl einen Leckerbissen für seine Zugtiere auf dem Wagen haben, auch ich würde mir ein wenig Kandiszucker einpacken, um die Schimmelstute dazu zu bringen, schneller zu laufen.
Das Hauptquartier der Musketiere war heute so leer wie selten. Einige Kadetten gingen ihren Fechtübungen nach, aber sonst hätte man beinahe glauben können, es wäre Sonntag.
Auch Athos schien darüber erstaunt zu sein.
Ich erriet seinen Gedanken, wagte aber nicht, ihn darauf anzusprechen.
Hatte man ihn etwa nicht über einen Einsatz benachrichtigt? Oder hatte er schlichtweg vergessen, dass er mit den anderen ins Feld ziehen sollte?
Nein, Athos’ Kompanie war in der Kaserne. Einige seiner Waffenbrüder kamen uns auf dem Weg zum Hauptgebäude entgegen. Athos grüßte sie erleichtert.
»Zwei Kompanien sind heute in Richtung Spanien abgezogen«, berichtete einer der Musketiere.
»Aber werden die denn nicht hier gebraucht? Nach dem Tod des Königs könnte die Situation jederzeit gefährlich werden.«
»Sagt das unserem Kommandanten! Monsieur de Troisville ist davon überzeugt, dass wir die Lage unter Kontrolle haben.«
»Das haben wir auch, aber es schadet nicht, ein paar junge Burschen dazuhaben.«
»Diese jungen Burschen werfen sich vielleicht mit Bravour in den Kampf, aber wir alten Haudegen wissen, worauf es ankommt. Wenn die Königin Schwierigkeiten mit der Anfechtung des Testaments bekommt, werden wir genau wissen, was wir zu tun haben.«
Damit klopfte der Musketier Athos auf die Schulter und ließ ihn nachdenklich zurück.
»Gefällt Euch etwas nicht?«
Athos schüttelte den Kopf. »Nein, mein Junge, es ist alles in Ordnung. Komm, wir sollten zu Monsieur Blanchet.«
Blanchet? Um Himmels willen, was wollte er denn bei dem?
»Was ist eigentlich der Grund, ihn aufzusuchen?«
Das Herz pochte mir bis zum Hals. Würde er mich wiedererkennen? Bestimmt, so genau, wie er mich damals angesehen hatte.
So wie mein Magen sich anfühlte, hätte ich
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