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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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begannen wir den Tag mit frischen Croissants und Milchkaffee, was vor allem Cilly entzückte.
    Es lagen noch weitere sechshundert Kilometer vor uns, aber am frühen Nachmittag erreichten wir das winzige Dorf, das fast am äußersten Ende des Finistère lag. Die Vermieter, ein altes Ehepaar, die im Dorf selbst ein mit Blumenkästen geschmücktes Feldsteinhaus neben der Kirche bewohnten, begrüßten uns herzlich, führten
uns umständlich und behäbig zu dem Ferienhaus nahe dem Strand und übergaben es uns mit vielen freundlichen Hinweisen und Ratschlägen zur Nutzung.
    Ich war hingerissen. Meine gelegentliche Tätigkeit im Tourismusgewerbe hatte mich schon in alle möglichen Ecken der Welt und alle möglichen Formen der Behausungen geführt, von Bambushütten-Dörfern bis zu Fünf-Sterne-Hotels, von topmodernen Bungalow-Siedlungen bis zu umgebauten Klöstern. Allen war eigen, dass sie unter Obhut einer organisierten Feriengesellschaft standen. Hier gab es nichts dergleichen. Das Haus, aus dem üblichen grauen Stein gemauert, mit einem bemoosten Schieferdach, musste über hundert Jahre alt sein. Es hatte den Großeltern der Vermieter gehört. Sie und ihre offensichtlich zahlreichen Familienangehörigen hatten es vor Zeiten selbst als Urlaubsunterkunft genutzt. Inzwischen aber waren sie über ganz Frankreich verstreut und hatten das Interesse daran verloren, an einem so entlegenen Ort ihre Ferien zu verbringen. Also hatten sich die jetzigen Besitzer entschlossen, es an Fremde zu vermieten.
    Ein lukratives Geschäft, wie es schien, denn vor wenigen Jahren hatten sie es völlig auf den Stand der Zeit gebracht. Es waren eine Gasheizung, eine moderne Küche und Badezimmer eingebaut worden, innen hatten sie es mit Rauputz versehen und überall Terracotta-Fliesen verlegt. Die alten, wuchtigen bretonischen Bauernmöbel hingegen bildeten weiterhin die Einrichtung, und das glänzende Kupfergeschirr, das früher in der Küche gedient haben mochte, hing an den Wänden als Schmuck. Ein gewaltiger Kamin beherrschte das Wohnzimmer. Davor standen altmodisch geblümte Sofas und Sessel und ein absolut schauriger Tisch, der aus einem riesigen alten Blasebalg gefertigt worden war. Auf dem Kaminsims hatten sich allerlei Erinnerungsstücke vormaliger
Mieter angesammelt – ein scheußliches Muschelkästchen, ein bizarres Treibholzstück, ein Strauß getrockneter Blumen und Gräser, ein recht gutes Aquarell einer Seelandschaft und eine kleine Herde bemalter, runder Kiesel. In einer Wandnische neben dem Kamin stand die fein geschnitzte Figur der heiligen Anne, die ihrer Tochter Maria liebevoll die Hand auf die Schulter legte. Ein Kerzenleuchter befand sich ebenfalls in der Nische, und ich wusste schon, was auf unsere Einkaufsliste kommen würde.
    Die Schlafzimmer befanden sich unter dem Dach in kleinen Kammern mit schrägen Wänden und kitschig bunten Blümchentapeten. Aus den Gaubenfenstern aber sah man draußen das Meer glitzern.
    »Ich nehm das!«, jauchzte Cilly auf und warf sich auf ein mit einem rosa Rüschen-Baldachin versehenes Bett. Sie versank. Und tauchte abrupt wieder auf. »Das ist ja ein Trampolin und kein Bett«, stellte sie ernüchtert fest.
    »Französische Qualität. Man schläft weich.«
    Rose fand ein Zimmer mit einem Doppelbett und einer Liege für sich passend, und ich bezog mit meinem Gepäck das Zimmer am Kopfende des Hauses, in dem nur ein breites französisches Bett stand. Auf den ersten Blick gab es keinen Kleiderschrank, und ich fürchtete schon, aus der Tasche leben zu müssen, als sich die mit Holzpaneelen vertäfelte Wand plötzlich als geräumiger Einbauschrank erwies.
    »Ist das schön hier!«, stellte Rose fest. »Schau mal, wir haben einen riesigen Garten.«
    Windgezauste Hecken umstanden ein großes, grasbewachsenes Grundstück. Ein paar Beete mitten darin waren mit Hortensien bepflanzt, die in allen Blau-, Rosaund Violetttönen blühten. Weiße Gartenmöbel reihten sich an der Hauswand auf, ein steinerner Tisch mit einer
ebensolchen Bank stand im Windschatten der Hecke, und in der Vogeltränke aus Granit tummelten sich zwei Rotkehlchen.
    »Völlig still ist es. Wir sind wahrhaftig am Ende der Welt angekommen! Es sieht so aus, als ob es hier nur derartige Ferienhäuser gibt. Oder sind das ganz normal genutzte Häuser?«
    »Nach der Wäsche, die dort auf der Leine flattert, würde ich mal behaupten, da wohnen Einheimische. Ah – kein Pool, kein Club, keine Animation – himmlisch!«
    »Ich hoffe, wir

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