Der Lilith Code - Thriller
sie die Klingelknöpfe ab. Aber nirgendwo stand der Name »Poch«.
Enttäuscht liefen sie die mit einem Teppich ausgelegten Stufen wieder hinunter. Elijah hatte als Erster den dritten Stock erreicht, als auf der linken Seite plötzlich die Tür aufgerissen wurde. Der Israeli drehte sich um, zog dabei seine Waffe und starrte in den Lauf einer abgesägten Schrotflinte.
»Zwinge mich nicht dazu, dich vom Boden aufzuwischen.« Ein alter, unfassbar dicker Mann stand breitbeinig in seinem Flur und richtete eine Waffe auf Elijah. »Sag den anderen krummen Vögeln, die du da oben noch hast, dass sie ihre Waffen steckenlassen sollen und langsam und still herunterkommen, wenn sie dich nicht mit einem großen Loch im Bauch nach Hause nehmen wollen.« Die Stimme des Mannes war leise und tief.
Elijah nickte nur. Seine drei Begleiter stiegen langsam die letzten Stufen hinunter.
Als Regina vor der Tür stand, sagte sie leise: »Der Imam aus Manbej schickt uns. Sie können uns helfen.«
Der Alte schaute aus roten Augen zu ihr und legte den Finger auf seine Lippen, dann winkte er die vier mit seiner linken Hand herein, die kleine Schrotflinte immer noch in seiner rechten Armbeuge.
Regina hatte schon vieles während ihrer Arbeit als Kriminalerin erlebt. Die Wohnungen von sogenannten Messies, Menschen, die krankhafterweise nichts wegwerfen konnten, waren schon immer ein Kapitel für sich. Man grub sichdurch Unmengen an gesammeltem Unrat, um dann eine mumifizierte Leiche unter all dem Dreck zu finden. Dies hier als Wohnung zu bezeichnen wäre gewiss falsch gewesen. Es glich eher dem Lebensraum eines seltenen Wesens. Bücher stapelten sich turmweise. Disketten und Videokassetten aus der analogen und digitalen Steinzeit lagen verstreut neben neuestem technischem Equipment, zum Teil noch in Kartons verpackt. Dutzende Katzen ruhten sich auf Möbeln und Fensterbrettern aus oder strichen um die Füße des Alten. Poch trug einen seidenen Kaftan mit einem gewagten Paisley-Muster. Seine weißen Haare hingen in fettigen Locken von einem dicken Kopf, der scheinbar von keinem Hals getragen wurde, sondern direkt in einen massigen Körper überging. Alles an ihm war alt und fett – bis auf seine Finger. Der Mann hatte feingliedrige, fast weibliche Hände, die zu allem Überfluss auch noch manikürt schienen.
Ivan Poch verschlang Jan förmlich mit seinen Blicken, der dies jedoch gar nicht bemerkte, sondern sich in der Wohnung umschaute.
»Der Imam hat uns Ihre Adresse gegeben.
Der Alte nickte. »Ich weiß. Er hat es mich wissen lassen.« Opernmusik hallte durch die Wohnung. Faruk wendete den Kopf und schloss die Augen.
»Jetzt nur nicht müde werden, alter Freund.« Elijah konnte es nicht fassen. Der Syrer machte schlapp.
»Es ist die Lipovsek.«
Ivan Poch nickte, den Blick immer noch auf Jan gerichtet. »Ja, sie hat eine ganz eigene Art, den Liebestod zu singen.«
Regina schaute fragend zu Jan und Elijah.
Jan nahm auf einem der wenigen freien Sessel Platz. »Es ist der ›Liebestod‹ aus ›Tristan und Isolde‹, gesungen von Marjana Lipovsek und dirigiert von Daniel Barenboim.«
Jans Weggefährten schauten ihn überrascht an.
»Ich habe gern mit Musik operiert, nur selten mit Wagner. Ich denke, das ist die Angst, dass es in einem Blutbad enden könnte. Ich bevorzuge Bach.« Er lächelte in die Runde.
Spätestens jetzt war der Alte hin und weg. Regina konnte ihm ihr Anliegen vortragen. Und während Poch die Exponate, die die Gruppe mitgebracht hatte, sichtete, erzählte Regina das Nötigste. Sie konnte nicht ahnen, dass Elijah Ivan Poch schon längst hatte überprüfen lassen. Niemals wäre er ohne Absicherung in dieses Haus gegangen. Aber das schnelle Go aus Tel Aviv hatte ihn beruhigt. Der Alte war einer von ihnen.
»Kochen Sie sich einen Tee in der Küche, das hier wird lange dauern.«
Faruk blickte zu Regina, die ihn ausdruckslos ansah. Der Syrer war davon ausgegangen, dass die Österreicherin aufstehen würde. Jan hatte das bemerkt und schwang sich aus dem Sessel. Früher hatte er sich gern in der Küche aufgehalten. Neben seiner täglichen Schwimmerei war es die beste Art und Weise, den Krankenhausstress abzuschütteln. All das hatte schlagartig nach dem Tod seines Sohnes aufgehört. Wasser verband er nun mit Gefahr. Er vermisste zwar den Geruch des Chlors, aber als er wenige Wochen nach dem Auszug seiner Frau vor der Kasse des Prinzregentenbades gestanden hatte, hatte er zu zittern begonnen und sich nur mit Mühe wieder zu
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