Der Lilith Code - Thriller
Experte.
Frankfurt am Main, 22. 06., 6.10 Uhr
Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.
Aus: Franz Kafka »Aphorismen«
»Hier ist der Ablauf.« Elijah breitete die Karte auf den Tisch aus. Sein Dienst hatte einen fensterlosen Konferenzraum im sogenannten »stillen Teil« des Frankfurter Airports gebucht. In Zusammenarbeit mit den deutschen und amerikanischen Diensten war dieser Komplex nach den Anschlägen von 2001 in New York aufgebaut worden. Nicht nur Frankfurt war so ausgestattet worden, viele westliche Metropolen besaßen diese Räume. Sie waren mit Waffen und anderem wichtigen Spezialgerät versehen, so dass zügig und unbürokratisch weltweit operiert werden konnte.
»In dreißig Minuten ist die Hawker 800 da. Wir rüsten erst beim Zwischenstopp auf Zypern auf, für den Fall, dass wir hier draußen gesehen werden. Wo ist Regina?«
Faruk schaute auf. »Sie wollte noch etwas …« Er stockte peinlich berührt, »… für Frauen draußen in einem Flughafenshop kaufen.« Elijah schmunzelte über die Prüderie des Syrers.
Jans Gesicht war bleich. Noch in der Nacht hatte Elijah mit seinen Leuten Kontakt aufgenommen, ihnen den Plan erklärt und tatsächlich nach langem Hin und Her grünes Licht erhalten. Jan würde mit Elijah nach Jerusalem fliegen. Dort sollte am frühen Abend eine Pressekonferenz des Präsidenten stattfinden. Ein Team aus Experten würde bis dahin das Fundstück analysieren und bestätigen, dass es sich um eine Fälschung handelte. Danach nähme Israels Präsident zu den Anschlägen Stellung. Wie und in welcher Form wurde ihnen nicht erklärt. Vorher aber sollten Regina und Faruk über Syrien abspringen und sich auf die Suche nach Almut und den Hintermännern machen. Eine Einreise aufdem Landweg war derzeit undenkbar. Zu viele Kontrollen würden das Unternehmen scheitern lassen. Faruk hatte in seinen Jahren der geheimen Recherche zwei Häuser ausgemacht, in denen sich Fischer häufiger aufhielt. Eines lag im Norden an der Küste, das andere befand sich in Bosra im Süden. Dort hatte sein Dienst auch das letzte Lebenszeichen Almuts gemeldet.
Es war ein Vabanquespiel, am Ende hatte er sich für den Süden entschieden. Dort würden sie abspringen, Almut suchen, Fischer festsetzen und je nach Lage mit dem Präsidenten Kontakt aufnehmen oder sich über die Grenze nach Israel durchschlagen. Elijah hatte dafür eine Rescue-Einheit der israelischen Armee in Aussicht gestellt. Alles vage, aber für Faruk und Regina der einzige Weg.
Regina war zurückgekommen. Sie hatte den Ausführungen Elijahs zugehört und erklärte dann: »Wir müssen uns aufteilen. Ich habe in der Ausbildung bei der Kobra zig Absprünge hinter mich gebracht. Ich kann Faruk führen.«
Jan war damit keineswegs einverstanden. Aber am Ende war es seine Idee gewesen, sich an die Öffentlichkeit zu begeben. Das eine ging nicht ohne das andere. Ohne die Hintermänner wären sie immer noch verdächtig.
Sie hatten sich in Pochs Wohnung noch sehr gestritten. Waren sie bislang nur Getriebene gewesen, hatte Jan plötzlich die ganze Aktion in Frage gestellt.
»Wer sind wir, dass wir glauben, den jetzigen Konflikt auf diese Art und Weise zu lösen? Seit Jahrhunderten bekämpfen sich die Menschen in eurer Region. Eine Pressekonferenz und ein vermutlich wirrer Mann werden da nicht weiterhelfen.«
Elijah hatte gereizt reagiert. »Du sitzt hier in deinem warmen und kuscheligen Deutschland. Gern und häufig gebt ihr uns Ratschläge, wie man es doch besser machen könnte. Ausgerechnet ihr! Zwei Weltkriege, unzählige Tote, nicht nur Juden, gingen von hier aus. Wir alle sehnen uns nach dem Frieden, den du schon seit Jahrzehnten hast.Sehr bequem von dir, nicht einmal über ein eigenes Opfer nachzudenken. Es war deine Idee, jetzt steh auch dazu, verdammt!«
Jan hatte nach Luft geschnappt. So wollte er sich nicht verstanden wissen, aber Faruk hatte statt seiner geantwortet. »Du hast doch als Arzt in Aleppo so schnell und selbstverständlich Menschen, die du nicht kanntest, geholfen. Selbst mir, deinem scheinbaren Feind, hast du das Leben gerettet. Vielleicht ist unsere Chance minimal, vielleicht sterben wir sogar, aber habt ihr nicht im Operationssaal eine Regel?«
Jan hatte gewusst, was Faruk meinte, die ungeschriebene OP-Regel für Notfallärzte. Nie sollte ein Patient den »Exitus in Tabula« haben, also auf
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