Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
eine verschlafene kleine Stadt, die sich hier am Ufer entlangzog, und sie hatte einst bessere Tage gesehen. Man hätte nicht gedacht, daß sie sich viel von tausend anderen Städten unterschied, bis man zufällig hier anhielt und eine Probe der hiesigen Gastfreundschaft zu kosten bekam.
Ich fuhr an Rockys Kneipe vorbei. Der Parkplatz war schon wieder voll. Entweder servierten sie dort ein gutes Frühstück, oder sie servierten das einzige Frühstück in der Stadt. Ich fuhr weiter nach Norden, vorbei an der Ampel und der Tankstelle. Ich konnte Stu an seiner Theke sitzen sehen, aber ich glaubte nicht, daß er bemerkte, wie ich vorbeifuhr.
Ich kam am Rathaus und an der Feuerwache vorbei. Ich fuhr nicht auf die Rückseite, um nachzusehen, ob Chief Rudiger da sei. Ich konnte mir nicht denken, daß es ihn allzu glücklich machen würde, mich wiederzusehen.
Ich fuhr weiter, vorbei an der alten Möbelfabrik. Wieder erstreckte sich die Straße ins Nichts, garniert mit Kiefern und gelegentlichen Blicken nach Westen hin auf den See. Ich fuhr noch etwa fünfzehn Kilometer weiter, nur um mir zu bestätigen, daß Orcus Beach wirklich mitten in einem Niemandsland lag. Ich hielt an und versuchte es noch einmal mit dem Telefon. Das Signal weckte sekundenlang neckisch meine Hoffnung und war dann wieder weg.
Ich fuhr in die Stadt zurück. Diesmal bog ich an der Ampel links ab und fuhr nach Osten, vom See weg. Ich überquerte irgendwelche Bahngleise und fuhr durch ein Viertel mit eng beieinander stehenden kleinen Häusern. Alles wirkte schwer und naß, als sei der Schnee soeben geschmolzen. An der nächsten Ecke lag ein leerer Baseballplatz, mit Holztribünen an der Seite. Während ich fuhr, hielt ich nach weißen Cadillacs Ausschau. Ich sah einen, der vor einem kleinen Laden mit Angelbedarf parkte, aber die Nummer stimmte mit der von gestern nicht überein.
Während ich fuhr, konnte ich nicht umhin, darüber nachzudenken, wo genau man auf Randy geschossen hatte. Es war immerhin erst zwei Tage her, und es war eine solch kleine Stadt. Ich erwartete die ganze Zeit, irgendwo das gelbe Absperrband als Markierung eines Tatorts zu sehen, aber vergeblich.
Die Straße nach Osten führte über eine kleine Brücke und dann weiter nach Norden. Noch ein paar Häuser, und der Asphalt wurde zu Schotter. Ich hielt an und wendete. Als ich wieder in der Stadtmitte war, fuhr ich weiter nach Westen an der Ampel vorbei Richtung Ufer. Ich dachte mir, wenn ich schon hier war, konnte ich mir auch die ganze Stadt ansehen.
Die Straße führte direkt zu einer öffentlichen Bootslände. Der Platz hier war leer. Ich fuhr zur Seite und sah eine Minute lang aufs Wasser. Ich konnte hören, wie die Sandkörner den Laster trafen, getrieben vom Wind, der vom See her kam. Ich versuchte es noch einmal mit dem Telefon. Die Sterne mußten just in diesem Moment extrem günstig stehen, denn ich kriegte ein Signal, es blieb, und es war stark genug, um zwei Anrufe zu tätigen. Der erste galt Leon. Bei ihm war besetzt. Vielleicht telefoniert er gerade wegen der Nummernschilder, dachte ich. Danach rief ich im Krankenhaus an. Diesmal kam ich bis zu Dr. Havlin durch. Das Signal schwankte kurzzeitig und seine Stimme schien zu versagen, aber dann war die Verbindung klar, und ich lauschte seinem Bericht, was er gerade mit Randy angestellt hatte.
»Mr. Wilkins hatte, was wir eine Schrotembolie nennen«, sagte er. »Ein Kügelchen ist in die Blutbahn gelangt, von der Wunde weggewandert und hat den Weg zum Gehirn gefunden. Deshalb haben wir es nicht entdeckt, als wir seinen Hals behandelt haben.«
»Wie ernst ist das?« fragte ich. »Das wandert wirklich direkt ins Gehirn?«
»Nun, es ist steckengeblieben, wo die Hirnarterie ins Gehirn eintritt. Das Ergebnis war ein Schlaganfall, und das erklärt, wieso er nicht wieder zu Bewußtsein gekommen ist. Es muß beide Hemisphären ausgeschaltet haben,«
»Und was ist jetzt?« sagte ich. »Ist er jetzt bei Bewußtsein? Wird er für immer geschädigt sein?«
»Er ist nicht bei Bewußtsein, nein«, sagte er. »Was eine bleibende Schädigung angeht, können wir im Moment keine Prognose abgeben. Jede Stunde machen wir eine neurologische Untersuchung. Und die ganze Zeit haben wir immer noch einen Deputy vom County vor der Tür sitzen, jede Minute, Tag und Nacht. Ich weiß nicht, was die sich vorstellen, was Mr. Wilkins anstellen soll. Ich habe für alle Fälle Ihre Nummer, Mr. McKnight. Wenn sich etwas ändert, rufe ich Sie
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