Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
zusammengebissenen Zähnen. Er unterdrückte etwas in sich, etwas Qualvolles, Schwerwiegendes und Kompliziertes. Danni konnte das an jeder Linie, jedem Zentimeter seines arg verkrampften Körpers sehen. Unschlüssig blieb sie am Tisch stehen und beobachtete ihn. Sie hätte ihn jetzt gern berührt, hatte jedoch Angst vor dem, was sie damit vielleicht bewirken würde. Danni wusste nicht, was sie ihm anbieten konnte ... was er annehmen oder ablehnen würde.
Schließlich ging er, ohne sich auch nur zu verabschieden, und sie nahm es wortlos hin.
27. Kapitel
D anni duschte, nachdem sie das Frühstücksgeschirr abgewaschen hatte, und machte sich für den Tag bereit. Colleen hatte ihre Garderobe erweitert, sodass sich nun auch eine gut sitzende Jeans und ein cremefarbener Pullover mit Zopfmuster unter ihren Sachen befanden. Danni nahm sie heraus, und dabei fielen ihr schwarze Leggins und ein übergroßes T-Shirt auf dem Boden der Schublade ins Auge. Verwundert hielt sie inne und fragte sich, wie sie die Sachen kennen konnte, wenn sie ihr nicht mal gehörten. Und dann fiel ihr plötzlich wieder ein, dass sie genau diese Kleidungsstücke bei der ersten Vision getragen hatte. Es war das Outfit, in dem sie sterben würde ... in dem sie mit Sean - dem jungen Sean - begraben werden würde.
»Nicht, wenn ich sie nicht anhabe«, flüsterte sie trotzig.
Aber mit dem Trotz kam wieder einmal die Erkenntnis, dass ihr die Zeit davonlief und sie nach wie vor nicht mal den Schimmer einer Ahnung hatte, wie das Schicksal es angestellt hatte, sie mit einer vierzehnjährigen Version des Mannes, in den sie sich verliebt hatte, in dieses Grab zu bringen.
Enttäuscht, weil sie nicht imstande war, die Puzzleteilchen zusammenzusetzen, beobachtete sie verdrossen, wie die ersten Sonnenstrahlen am Horizont heraufkrochen und den Beginn eines neuen Tages ankündigten. Sie färbten den Himmel zunächst nur grau und rosa, dann rot und gold und schließlich blau. Blau wie Brigids Augen ... Aber diesen Gedanken verdrängte Danni gleich wieder.
Am Tag zuvor war sie aufgefordert worden, sich pünktlich um sieben bei den MacGrath' einzufinden. Es war erst halb sieben, als sie das Cottage verließ, doch sie wollte nicht schon wieder zu spät kommen und Bronaghs Zorn riskieren. Und was hatte sie denn auch sonst zu tun?
Auf dem Weg ließ sie den Morgen noch einmal Revue passieren. Zuerst Colleen, die ihr gesagt hatte, sie könne tun, was immer sie sich vornehme. Dann die Vision ... die Vision, die sie erzeugt hatte, aber nicht hatte verändern können. Seans Mutter war noch immer tot, sein Vater nach wie vor auf tragische Weise verantwortlich dafür. Danni hatte es nicht verhindern können, sosehr sie sich es auch gewünscht hatte. Was nützte es also, etwas so Schmerzliches wieder auszugraben, wenn es ja doch nur erneut durchlebt werden konnte? Was sie besaß, war keine Gabe, sondern ein verdammter Fluch.
Sie betrat das Herrenhaus durch den Hintereingang, wie ihr am Tag zuvor gesagt worden war. Köstliche Düfte durchzogen die heiße, feuchte Luft der weiträumigen Küche. Danni war ein bisschen zu früh dran, aber Bronagh kam schon mit einer leeren Pfanne aus dem Esszimmer geeilt. Sie wirkte abgehetzt. »Ah, da bist du ja. Und auch noch zu früh. Das ist gut, denn ich habe Kuchen im Ofen und muss noch einen Kartoffelschmortopf vorbereiten.«
»Es riecht wunderbar hier drinnen«, bemerkte Danni lächelnd.
Bronagh strahlte vor Freude über das Kompliment. »Ach, weißt du, die Zwillinge haben heute Geburtstag, und da wollen sie natürlich all ihre Lieblingsgerichte haben, nicht?«
Natürlich wollen sie die, dachte Danni, der ganz weh ums Herz wurde angesichts der tiefen Zuneigung, die sie in Bronaghs Augen sah, und der Mühe, die die Frau sich machte, um den Kindern einen schönen Geburtstag zu bereiten.
Danni räusperte sich, bevor sie fragte, wo sie mit der Arbeit beginnen solle.
»Kannst du nach einem Rezept kochen? Und behaupte nur nicht, es zu können, wenn das nicht stimmt.«
»Doch, doch, natürlich kann ich das.«
»Gut«, sagte Bronagh mit einem zufriedenen Nicken. »Hier ist das Rezept. Achte auf die Reihenfolge der einzelnen Schritte, denn die ist wichtig. Und du wirst auch sämtliche Zutaten halbieren müssen.« Bronaghs Brauen zogen sich zusammen. »Traust du dir das zu?«
Danni nickte und bemühte sich, zuversichtlicher zu erscheinen, als sie war, als sie die handgeschriebene Rezeptkarte entgegennahm.
»Gut. Ich habe Einkäufe und
Weitere Kostenlose Bücher