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Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Titel: Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Quinn
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damit nicht konkurrieren.
    Danni ließ sich ergeben auf die Knie fallen. Die aufgeweichte Erde des Grabes durchdrang ihre Hose und zog sie tiefer, wurde zu einem Treibsand, der sie zu verschlingen drohte. Mit ihrem erlahmenden Widerstand brach das Geheul ab, und eine in den Ohren dröhnende Stille setzte ein. Mit Entsetzen merkte Danni, dass ihre Beine tief in dem Grab versunken waren.
    Ein Paar Schuhe kam in Sicht, und Danni starrte sie an wie einen Rettungsanker, bevor ihr Blick von ihnen zu schlanken Beinen und einem Wickelrock hinaufglitt. Dort hielt sie inne, weil sie das Muster und den Stoff erkannte, obwohl ihr Verstand diese Möglichkeit weit von sich wies. Und dann blickte sie in ein Gesicht, das sie nur zu gut kannte, weil es all ihre Kindheitsfantasien repräsentierte.
    »Mama?«, flüsterte Danni.
    Und tatsächlich war es ihre Mutter, die neben ihr stand und denselben Rock und dieselbe Bluse trug wie auf dem Foto, das Sean Danni überlassen hatte. Mühelos zog ihre Mutter sie aus dem sie herabziehenden Schlamm des Grabes. Danni spürte die Berührung ihrer Finger, die Wärme von Haut und Fleisch, die gar nicht wirklich existierten.
    Schweigend nahm ihre Mum sie an der Hand, führte sie von dem Grab fort und durch eine hellgrüne Tür, die aus dem Nichts erschien, in ein mit Möbeln, Nippes und anderem Schnickschnack überfülltes Zimmer. Danni sah sich um, und ein fremder, weit entfernter Teil von ihr registrierte das erstaunliche Gitterwerk an einem Beistelltisch, an dem sie vorbeikamen, und das Funkeln der Bleikristalllampen, deren Licht auf zwei alte Ledersessel fiel, und die mächtigen Gemälde, die jeden Zentimeter Wand bedeckten.
    Sie ließ sich von ihrer Mutter zu einer Kiefernholztruhe neben dem Fenster führen. In dieser Hunderte von Jahren alten Truhe waren sicher einmal die Familienschätze verwahrt worden. Danni mochte sich gar nicht vorstellen, was sie jetzt enthielt.
    Ihre Mutter benutzte einen an einer Kette hängenden Schlüssel, um das Möbelstück zu öffnen. Sie hob den Deckel an und nahm ein großes, in Segeltuch eingewickeltes Paket heraus. Es sah schwer aus, aber sie ging damit um, als wäre es aus feinstem Glas gefertigt. Nachdem sie es auf einen Beistelltisch gelegt hatte, begann sie vorsichtig die Umwicklung zu entfernen. Danni bekam einen trockenen Mund, ihr Herz fing an, wie wild zu pochen. Sie wusste nicht, was das Paket enthielt, doch die Vorsicht, mit der ihre Mutter es behandelte, ängstigte sie. Danni schüttelte den Kopf und wollte ihre Mum bitten aufzuhören, obwohl sie bereits fertig war und schnell beiseitetrat. Verblüfft starrte Danni den Gegenstand an, den sie aus der Leinwand ausgewickelt hatte.
    Es war ein Buch. Danni atmete erleichtert auf. Sie hatte etwas Schlimmeres, Bedrohlicheres erwartet.
    Da sie nicht wusste, was ihre Mutter wollte, trat Danni ein wenig näher. Das Buch war dick und unsymmetrisch - nicht ganz eckig an den Kanten - und hatte ungefähr die Größe eines Kissens. Sein schwarzer Ledereinband war mit konzentrischen Spiralen abgeschrägt, die wie die auf dem Kamm aussahen, den die Weiße Frau Danni hatte geben wollen. Mit Edelsteinen besetztes Gold und gehämmertes Silber schlangen sich um Ränder und Ecken. Über einem Schloss, das an dem abgegriffenen Einband des dicken, cremefarbenen Papiers angebracht war, verbanden sich drei kreisförmige Linien. Auf dem Buchdeckel gab es noch mehr geheimnisvolle Symbole, die in einer Reihe angeordnet waren wie Buchstaben, aber ganz anders aussehen als alle, die Danni je gesehen hatte. Vorsichtig streckte sie die Hand aus, um sie zu berühren, doch ihre Mutter griff nach ihrem Handgelenk und schüttelte den Kopf.
    Danni krümmte die Finger und ließ die Hand schnell wieder sinken. Nach und nach wurde sie sich eines leisen Summens in der Luft bewusst, das ihr den Magen verkrampfte und an ihren ohnehin schon überstrapazierten Nerven zerrte. Ihr war heiß und unwohl, und sie wollte nichts mehr, als von dem Buch zurückzutreten, weil sie es plötzlich gar nicht mehr berühren wollte. Sie wollte nur noch weg aus seiner Nähe.
    Das Summen in der Luft steigerte sich zu einem Brummen, das überall um sie herum pulsierte und pochte. Zu leise, um gehört zu werden, zu beharrlich, um es ignorieren zu können. Es stieg vom Boden auf, fiel von der Decke herab und stieß und drängte von den Wänden, bis Danni das Gefühl hatte, davon erdrückt zu werden wie eine Aluminiumdose. Ihr Kopf begann zu glühen, als flackerten

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