Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
geschehen, damit ein Erholungsgebiet aus gemeinschaftlichem Besitz in Privathand übergeht?»
«Wovon sprichst du?» Helena trank einen Schluck Wein.
«Eine rein theoretische Frage.»
«Wer besitzt das Gebiet?»
«Irgendeine Stiftung oder ein Verein, nehme ich an. Oder der Staat. Ich weiß es nicht genau.»
«Zunächst einmal muss der Besitzer zum Verkauf bereit sein. Wenn das Gebiet anders genutzt werden soll als bisher, muss der Provinzialbebauungsplan geändert werden.»
«Und wie geht das vor sich?»
«Die Provinzialbebauungspläne werden von der Provinzialregierung vorbereitet, vom Provinziallandtag verabschiedet und vom Umweltministerium bestätigt.» Helena kannte die Prozedur auswendig.
«Daran sind also eine ganze Menge Personen beteiligt. Wäre es leicht, sie zu bestechen?»
Jemand schubste mich von hinten, ich musste darum kämpfen, das Gleichgewicht zu halten und nicht auf Helena zu fallen. Sie trat einen Schritt zurück, stieß dabei ihrerseits gegen das Rotweinglas einer schmucküberladenen Dame und bekam Wein auf ihr Kleid. Damit endete unser Gespräch, denn sie ging mit Monika in den Personalraum, um Salz auf den Fleck zu streuen. Ich versuchte mir einzuprägen, was sie gesagt hatte. In Syrjänens Aufzeichnungen stand die Frage, wer der nächste Minister sein würde; offensichtlich ging es um den Umweltminister. Wenn diesen Posten jemand bekam, den Syrjänen finanzierte, würde er sich natürlich für die Interessen seines Geldgebers einsetzen.
Jouni rief aus der Küche nach mir, er brauchte jemanden, der die Spülmaschine füllte. Von ein paar zerbrochenen Tellern, umgekippten Weingläsern und bowlenseligen Gästen abgesehen, verlief die Eröffnung gut. Am späten Abend lichtete sich das Gedränge, und nun wagte sich auch Veikko mit seinen Kumpeln herein.
«Entschuldigt, dass wir ein bisschen riechen», sagte der eine. «Veikko hat immerhin ein sauberes Hemd. Für einen Euro bei UFF gekauft. Ist es nicht schick?» Der Mann schöpfte mit zitternden Händen Bowle in sein Glas, und Petter, der mittlerweile den Zustand erreicht hatte, in dem er die ganze Welt liebte, pries sein zerfurchtes, vom Schnaps und vom Leben unter freiem Himmel gezeichnetes Gesicht. Er wollte es so bald wie möglich malen. Auch mir hatte er immer wieder vorgeschlagen, ihm Modell zu stehen. Vorzugsweise leicht bekleidet. Ich war nicht auf das Angebot eingegangen. Es war einfach, Petter und Monika als Geschwister zu erkennen, obwohl Petter mehr von einem sanftmütigen Hund an sich hatte, der allen gefallen wollte, während Monika einem Hirtenhund glich, der versuchte, die anderen auf den richtigen Weg zu führen.
Als sich das Fest dem Ende näherte, zog ich den Mantel über und ging kurz nach draußen. Zum Ufer waren es nur ein paar Dutzend Schritte. Auf der Schnellstraße und der Straße nach Lauttasaari brummte der Verkehr, ein Hauch von Frost lag in der Luft. Am Himmel über der Stadt waren die Sterne lediglich blasse Schemen, einige entdeckte man nur, wenn man sie zu suchen wusste. Ich musste an meinen Traum denken, an David, dem am Himmel über Montemassi Flügel wuchsen. Ich spürte seine Anwesenheit, seinen Geruch, seinen Atem … Jemand hatte sich neben mich geschlichen. Doch es war nicht David. David roch nicht nach Zigarren.
«Danke für die Einladung. Leider bin ich ein bisschen spät dran.» Laitio hielt einen Briefumschlag in der Hand. «Meine Schwägerin hatte Bridge-Abend. Davor darf ich mich nicht drücken, sonst schmeißt meine Frau mich raus. Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag, Hilja.» Er reichte mir den Umschlag. «Mach ihn erst auf, wenn du allein bist. Und von mir hast du die Papiere nicht bekommen, ist das klar? Wenn du etwas in der Art behauptest, sage ich, du lügst. Ich weiß auch gar nicht, ob das ein richtiges Geschenk ist.»
«Trotzdem vielen Dank.»
«Bedank dich nicht zu früh! Habt ihr noch was zu essen übrig? Und ein Schnaps würde mir jetzt auch schmecken. Meine Schwägerin will so verdammt englisch sein, bei ihr gibt es nur Tee und hauchdünne Sandwiches.»
Nach dem Geruch zu schließen, hatte Laitio einen Flachmann zum Bridge mitgenommen; er wusste wohl, was bei seiner Schwägerin auf den Tisch kam, und rüstete sich entsprechend aus. Es war das erste Mal, dass er mich nur beim Vornamen genannt hatte.
«Trankow war hier», sagte ich und nahm die Zigarre, die Laitio mir anbot. Die konnte ich jetzt brauchen.
«Ja, das hast du mir gestern schon erzählt.»
«Nein, ich meine
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