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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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… also vergiß es einfach.‹ Aber wie so eine bekloppte Heldin in einem Horrorfilm von Hammer konnt ich natürlich nicht anders, als mich selbst nach ihnen umzusehen, und sie folgte natürlich meinem Blick, krabbelte durch die Halle und stürzte sich auf sie. Dann war sie weg. Ich schrie ihr weiter nach, sie solle zurückkommen. Ich hörte den Kies knirschen, als sie losfuhr, und dann – wieder wie ’ne Tunte im Film – fiel ich in Ohnmacht.«
    »Mein Gott«, sagte Schweinchen Trotter.
    »Sie brachte eine vierköpfige Familie und sich selbst um«, sagte Adrian. »Mein Vater, der in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal an Untreue gedacht hatte, hat sich bis heute nicht davon erholt. Sie war eine Schlampe, meine Mutter. Eine echte Schlampe.«
    »Ja«, sagte Tom. »Die Sache ist bloß, Ade, du hast es vielleicht vergessen, aber ich hab deine Mutter im vorigen Semester kennengelernt. Eine hochgewachsene Frau mit einem breiten Lächeln.«
    »Scheiße«, sagte Adrian. »Stimmt, hast du. Ach egal, den Versuch war’s wert.« Er stand auf und schnippte seine Zigarette hinter einen Grabstein.
    Trotter starrte ihn an.
    »Du meinst«, sagte er. »Du meinst, du hast das alles erfunden?«
    »Ich fürchte, ja«, sagte Adrian.
    »Alles?«
    »Also mein Vater ist Professor, der Teil stimmte.«
    »Du verdammter Scheißhaufen«, sagte Trotter, dessen Augen sich mit Tränen füllten. »Du verdammter Scheißhaufen!« Er stolperte schluchzend davon. Adrian sah ihm erstaunt nach.
    »Was ist denn mit Schweinchen los? Es muß doch gewußt haben, daß ich gelogen hab, kaum daß ich angefangen hatte.«
    »Ach nichts«, sagte Tom und wandte Adrian seine großen braunen Augen zu. »Seine Mutter und zwei Brüder kamen vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben, das ist alles.«
    »Oh, nein! Nein! Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Ist es auch nicht.«

 
    Eine Krawatte des Marylebone Cricket Club setzte sich neben einen ultramarinblauen Safarianzug an einem Fenstertisch im Café Bazaar. Weiße Hemden mit schwarzen Westen eilten hin und her, das Wechselgeld klingelte in ihren ledernen Geldbeuteln.
    »Herr Ober«, rief die MCC-Krawatte.
    »Mein Herr?«
    »Zwei Kaffee mit Schlag, bitte. Und Sachertorte. Zweimal.«
    Der Kellner vollführte einen adretten österreichischen Diener und ging.
    Der ultramarinblaue Safarianzug tupfte sich die Stirn. »
    Kein Austausch fand statt«, sagte er.
    »Nun gut«, sagte die MCC-Krawatte. »Odysseus hat die Dokumente bestimmt erhalten und wird sich darauf vorbereiten, sie aus Salzburg herauszubringen. Man muß ihm folgen und ihn um sie erleichtern.«
    »Falls die Trojaner bereit sind, Patroklos im hellen Tageslicht umzubringen …«
    »Sie werden nicht wagen, Odysseus etwas zuleide zu tun.«
    »Er hat einen Begleiter, wissen Sie. Einen jungen Engländer.«
    Die MCC-Krawatte lächelte.
    »Das ist mir zur Genüge bekannt. Wie sollen wir ihn nennen?«
    »Telemach?«
    »Geht in Ordnung. Telemach. Erinnern Sie mich daran, Ihnen alles über Telemach zu erzählen.«
    »Sie kennen ihn?«
    »Sehr gut. Ich denke, es wird nicht nötig sein, Odysseus oder Telemach ein Leid zuzufügen. Solange wir nur Mendax in die Hände bekommen.«
    »Sie brechen morgen auf.«
    »Tatsächlich? Was für eine Kalesche lenken sie?«
    »Odysseus besitzt einen roten Wolseley.«
    »Typisch. Wirklich typisch.«
    Die MCC-Krawatte sah mit einem Ausdruck gutmütiger Verachtung zum Safarianzug hinüber.
    »Ich nehme nicht an, Hermes, daß Sie zufällig im Besitz eines Kurzwellenradios sind?«
    »Müssen Sie einen Bericht abliefern?«
    »Seien Sie kein Narr. BBC World Service. Die Westindischen Inseln treten heute im Old Trafford gegen England an.«
    »Antreten? Treten wobei an?«
    »Kricket, Sie Arschloch. Kricket.«

ZWEI
     
     

I
     
    »Das periphrastische ›do‹ war ein überflüssiger Tempusindikator«, sagte Adrian. »Semantisch leer, dennoch weit verbreitet. Es gibt folgende drei Haupttheorien über den Ursprung des periphrastischen ›do‹: 1. Es leitete sich ab vom Einfluß des entsprechenden Gebrauchs von ›faire‹ im Französischen.
    2. Es entwickelte sich aus dem altenglischen kausativen ›do‹.
    3. Es leitete sich ab aus der semantischen Entwicklung des faktitiven Vollverbs ›do‹. Eine Untersuchung dieser drei Theorien sollte einiges über alternative Herangehensweisen in den Bereichen diachrone Syntax und generative Grammatik verraten.«
    Er schaute zum Sofa hinüber. Trefusis lag auf dem Rücken, einen

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