Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
und eine Notiz fielen heraus. Er grinste: neuerliche Aufmerksamkeiten von Hunt dem Fingerhut, ein Überbleibsel aus seinen Tagen in Chartham Park im vorigen Jahr. Damals hatte er gedacht, das Leben in Cambridge würde so einfach sein.
    Die Notiz war in Fraktur geschrieben, was Hunt den Fingerhut Stunden gekostet haben mußte.
    »Er aber nahm das Brot, dankte und toastete es und gab’s Mr. Healey und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; solches tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er den Kelch Marmelade nach dem Mahl, dankte und gab ihnen und sprach, futtert alle davon; denn dieses ist die Marmelade des Neuen Testaments, die für euch verstrichen wird: solches tut, sooft ihr sie schmeckt, zu meinem Gedächtnis.
Amen

    Adrian grinste wieder. Wie alt mochte Hunt jetzt sein? Wahrscheinlich zwölf oder dreizehn.
    Dann war da ein Brief von Onkel David.
    »Ich hoffe, du genießt das Leben. Wie schlägt sich das College dieses Jahr in den Cuppers? Schon Gelegenheit gehabt, dir die Blues XI anzusehen? Ich habe ein bißchen was beigelegt. Ich weiß, wie Kasinorechnungen sich auftürmen können …«
    Kasino
rechnungen? Der Mann wurde wirklich senil. Trotzdem, dreihundert Pfund waren überraschend und nützlich.
    »… ich werde nächstes Wochenende in Cambridge sein und im Garden House wohnen. Ich möchte, daß du mich Samstagabend um acht besuchst. Ich habe dir etwas vorzuschlagen. Viele Grüße, Onkel David.«
    Außerdem war das Postfach voll mit Rundbriefen und Flugblättern.
    »Im St. John’s College findet auf Scholar’s Lawn eine Teeparty statt, um gegen die amerikanische Unterstützung des Regimes in El Salvador zu demonstrieren.«
    »Die Gaudisten führen Artauds
Les Cenci
in neuer Übersetzung von Bridget Arden auf. Inzest! Gewalt! Ein Stück für Leute von heute im Trinity Lecture Theatre.«
    »Sir Jan Gilmour wird vor der Cambridge Tory Reform Group über sein Buch
Inside Right
sprechen. Christ’s College. Freier Eintritt.«
    »Dr. Anderson hält vor der Herrick Society einen Vortrag mit dem Titel ›Punkethik als radikaler Fremdentwurf‹. Nichtmitglieder £ 1,50.«
    Nach gewissenhafter Entsorgung dieser und anderer Flugblätter blieben Adrian Onkel Davids Scheck, der Toast, eine Rechnung von Heffers Buchladen und ein Auszug seiner Barclaycard, die er beide öffnete, während er zu seinem Zimmer zurückging.
    Er entdeckte verdutzt, daß er Heffers 112 Pfund schuldete und Barclay’s 206 Pfund. Mit Ausnahme von ein oder zwei Romanen standen auf Heffers’ Rechnung nur Kunstgeschichtsbücher. Eine Masaccio-Ausgabe von Thames & Hudson hatte allein 40 Pfund gekostet.
    Adrians Gesicht verfinsterte sich. Die Titel waren ihm bekannt, aber er wußte, daß er sie nicht gekauft hatte.
    Er beschleunigte seinen Schritt auf der Sonnet Bridge und in President’s Court, nur um frontal mit einem runzligen alten Don in seiner Robe zusammenzustoßen. Mit einem »Hoppla!«-Schrei ging der Mann, in dem er den Mathematiker Adrian Williams erkannte, zu Boden und verstreute Bücher und Papiere auf dem Rasen.
    »Dr. Williams!« Adrian half ihm beim Aufstehen. »Es tut mir leid …«
    »Oh, hallo, Adrian«, sagte Williams, nahm seine Hand und federte hoch. »Ich fürchte, wir haben beide nicht darauf geachtet, wo wir hingingen. Wir Adrians sind doch immerzu in Gedanken, nicht wahr?«
    Sie sprangen über den Rasen, um Williams’ Papiere aufzusammeln.
    »Wissen Sie«, sagte Williams, »ich habe gestern eine von diesen Tütensuppen ausprobiert. ›Knorr‹ hieß die, K-N-O-R-R, ein wirklich seltsamer Name, aber, mein Gott, sie war köstlich. Huhn mit Nudeln. Haben Sie die je probiert?«
    »Äh, ich glaube nicht«, sagte Adrian, hob das letzte Buch auf und gab es Williams.
    »Oh, das müssen Sie, das müssen Sie wirklich! Fantastisch. Sie haben eine Pappackung, nicht größer als … wollen mal sehen … nicht größer als was war sie wohl?«
    »Ein Taschenbuch?« sagte Adrian, sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagernd. Hatte Williams einen erst mal eingekreist, war es schwer, ihm zu entkommen.
    »Nicht ganz wie ein Taschenbuch, es war quadratischer. Ich würde sagen, nicht größer als eine Single. Die Fläche ist natürlich ungefähr genauso groß wie bei einem Taschenbuch, aber eine andere Form, verstehen Sie.«
    »Großartig«, sagte Adrian. »Also ich muß jetzt …«
    »Und da drin befindet sich der unansehnlichste Pulverhaufen, den man sich vorstellen kann. Die

Weitere Kostenlose Bücher