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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ob echt oder geheuchelt – zum Ausdruck, indem er ihn als einen schwachsinnigen älteren Bruder aus einer anderen Welt behandelte. Bevor er nach Cambridge gekommen war, hatte er nie jemanden mit Public-School-Hintergrund getroffen und eigentlich nicht geglaubt, daß es so etwas gab. Er war von Adrian noch schockierter gewesen als Adrian von ihm.
    »Und ihr mußtet die älteren Schüler in jeder Hinsicht bedienen und so?«
    »Ja. Es kommt langsam aus der Mode, glaub ich, aber als ich da war, mußten wir ihnen aufwarten.«
    »Ich faß es einfach nicht! Hast du eine Kreissäge getragen?«
    »Wenn es sein mußte.«
    »Und gestreifte Hosen?«
    »In der Sixth Form.«
    »Fuck me!« Gary hatte sich geschüttelt vor Entzücken.
    »Ich bin kaum der einzige, weißt du. Hier sind allein von meiner Schule Dutzende, und Hunderte aus Eton und Harrow und Winchester.«
    »Ja«, sagte Gary, »aber sie machen weniger als sieben Prozent der Bevölkerung aus, oder? Leute wie ich treffen Leute wie dich normalerweise nie, außer vor Gericht, und dann habt ihr eine Perücke auf.«
    »Wir schreiben das Jahr 1979, Gary. Leute wie du bilden Thatchers Kabinett.«
    Adrian hatte ihm vom Schulleben erzählt, von ihrer Schülerzeitschrift, von Schweinchen Trotters Tod. Er hatte ihm sogar von Cartwright erzählt.
    Gary hatte sofort angefangen, Adrian zu zeichnen, wie er ihn sich vorstellte, in Blazer und weißen Krickethosen, wie er vor einem neugotischen Portal herumlümmelte, während im Hintergrund Pauker mit Mützen und Roben wie die Krähen umherhuschten. Adrian hatte es auf der Stelle für zehn Pfund gekauft. Seitdem hatte er Garys Cannabis und Wodka finanziert, indem er pro Woche mindestens drei Kunstwerke erstand. Aber jetzt glaubte er, keinen einzigen weiteren Anblick von sich mehr ertragen zu können, egal, in welchem Stil und aus welcher Perspektive, und das sagte er auch.
    »Na gut«, meinte Gary, »dann wirst du wohl bis zum Jahresende warten müssen, bevor ich es dir zurückzahlen kann.«
    »Ja, das fürchte ich auch«, sagte Adrian. »Ach Koitus!«
    »Nun komm schon, du kannst es dir leisten.«
    »Nein, darum geht’s nicht. Es gibt Arbeit.«
    »Arbeit? Ich dachte, das hier wäre eine Universität.«
    »Ja, na ja, sie verwandelt sich rasend schnell in eine technische Fachhochschule«, sagte Adrian und ließ sich in einen Sessel fallen.
    »Mochte Trefusis deinen Essay etwa nicht?«
    »Nein, er war ihm sehr zugetan, das ist das Problem«, sagte Adrian. »Er war zu gut. Er war sehr beeindruckt. Und deswegen will er, daß ich jetzt etwas Größeres mache. Etwas Aufrüttelndes und Originelles.«
    »Originelles? In der Philologie?«
    »Nein, egal in welchem Fach. Eigentlich müßte ich geschmeichelt sein, nehme ich an.«
    Mal ehrlich, was sollte das eigentlich? Gary konnte er doch wohl die Wahrheit sagen? Wie selbstverständlich log er. War es Stolz? Angst? Er schloß die Augen. Trefusis hatte recht. Recht und auf groteske Weise unrecht.
    Warum war er nicht glücklich? Jenny liebte ihn. Gary liebte ihn. Seine Mutter schickte ihm Geld. Onkel David schickte ihm Geld. Es war das Sommertrimester seines ersten Jahres, das Wetter war schön, und er hatte keine Prüfungen. Alles Unangenehme lag hinter ihm. Cambridge war sein. Er hatte sich jetzt entschieden, nach dem Abschluß hierzubleiben und Don zu werden. Man brauchte nur genügend gute Essays auswendig zu lernen und sie in dreistündigen Ausbrüchen wiederholen zu können. Trefusis war Gott sei Dank kein Prüfer.
    Er hängte Jeremy, seinen Blazer, an Anthony, den Haken. »Laß uns Toast machen«, sagte er. »Hunt der Fingerhut hat’s gegeben.«
     

II
     
    »Meine Herren, wir kommen jetzt«, sagte Präsident Clinton-Lacey, »zur Frage der akademischen Nachwuchsförderung und zu den Forschungsstipendien. Ich frage mich, ob –«
    Garth Menzies, Professor für Zivilrecht, hustete durch eine Wolke dicken Qualms, der ihm von der Pfeife Munroes, des Quästors, ins Gesicht geblasen wurde.
    »Entschuldigen Sie, Mr. President«, sagte er, »soweit ich weiß, hatten wir uns für Besprechungen der Fellows auf Rauchverbot geeinigt.«
    »Nun, das stimmt allerdings, ja. Admiral Munroe, würde es Ihnen wohl etwas ausmachen …?«
    Munroe knallte seine Pfeife auf den Tisch und bedachte Menzies mit einem Blick tiefsten Hasses. Menzies lächelte und schob ein Bonbon aus der einen Backe in die andere.
    »Danke«, sagte Clinton-Lacey. »Also. Nachwuchsförderung und Forschungsstipendien. Wie dieser

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